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  • Buchrezension: Ever Been Friendzoned by an Institution? | Issue 4 | appropriate!

    Julika Teubert Iss ue 4│ Machtverhalten Anker 1 Buchrezension: Ever Been Friendzoned by an Institution? Buchrezension von Julika Teubert “Ever Been Friendzoned by an Institution?” sobat-sobat Publikation Vorderseite und Rückseite, © Julika Teubert Während der Laufzeit der documenta fifteen 2022 veröffentlichten die Kunstvermittler:innen (sobat-sobat) der Großausstellung eine eigene Publikation, die ich an dieser Stelle rezensieren möchte. Das schmale Buch ohne Cover mit dem Titel „Ever Been Friendzoned by an Institution?“ wurde in der lumbung Press in einer ersten Auflage von etwa 450 Stück gedruckt. Viele Kontakt- und Referenzpersonen wie Künstler:innen, Vermittler:innen, Kulturarbeiter:innenoder auch Institutionen bekamen eine Ausgabe zugesandt und so fand eine der Publikationen ihren Weg in die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Die Projektorganisation samt künstlerischer Leitung und redaktioneller Koordination trugen Theseas Efstathopoulosund Viviane Tabach. Im Vorwort der Publikation kündigen sie an, dass sich das Buch auf individuell gemachte Erfahrungen der sobat-sobat mit dem Konzept ruangrupas bezieht, auf die Zusammenarbeit zwischen der Bildungsabteilung und der documenta gGmbH und auf Gespräche mit Besucher:innen und Bewohner:innen Kassels sowie Künstler:innen der documenta. „This book is a combination of what has been developed so far and what is still in progress. Together we brainstormed relevant topics that constitute our work in documenta. […] We write from our personal perspectives, but we share and recognise ourselves in each other”, heißt es in der Einleitung. Insgesamt füllen 30 Beiträge die 80 Seiten des Buchs, die von 30 Personen verfasst wurden. Manche Texte stammen von einer Person, andere von bis zu vier Personen und selbst die Liste der Mitwirkenden ist lang. Das Werk macht den Eindruck, als seien kollektive Prozesse für das sobat-sobat Team der Publikation nicht nur relevant, sondern auch essenziell, um Projekte umzusetzen. Davon zeugt das Buch, dem man ansieht, dass es mit der Hilfe vieler Hände in der lumbung Press der documenta fifteen gedruckt und gebunden worden ist. Ebenso die Inhalte der Texte, die von dem starken Netzwerk und der Kommunikation sprechen, die sich innerhalb der sobat-sobat entwickelt haben. Die Publikation beinhaltet verschiedene Perspektiven, Meinungen und Erfahrungen und es macht den Eindruck, als habe das Team der Publikation Wert darauf gelegt, diese anzunehmen und ihnen Raum zu geben. So sind die Texte in Deutsch oder Englisch verfasst, um es den Autor:innen zu ermöglichen, sich in der bevorzugten Sprache bestmöglich auszudrücken. Die Vielfalt zeigt sich außerdem in den unterschiedlichen Beitragsformen: Es finden sich neben Texten auch Interviews, Vermittlungsmethoden, Mind Maps und Illustrationen. Ein wichtiger Grundstein für die Publikation scheint ihr erster Beitrag zu sein. Es handelt sich um einen vom 08.07. bis zum 04.08.2022 durch einen kollektiven Schreibprozess entstandenen offenen Protestbrief der sobat-sobat. Darin sprechen sie von dem Zwiespalt, einerseits das Konzept ruangrupas erfüllen zu wollen, andererseits unter den Bedingungen der documenta gGmbH arbeiten zu müssen, die nicht nur als prekär und problematisch beschrieben werden, sondern oft auch einer Umsetzung des Vermittlungskonzepts ruangrupas entgegenwirkten. In einem der institutionskritischen Beiträge wird ein historischer Bezug zum Protest der Kunstvermittler:innen der documenta 14hergestellt. Im Gegensatz zu öffentlich geführten Debatten zur documenta fifteen dreht sich diese Publikation nicht um die Kritik am Konzept ruangrupas. Es findet sich stattdessen ein Interview mit Farid Rakun, einem Mitglied des Kuratorenkollektivs, in dem die Probleme der sobat-sobat auf tiefgreifende institutionelle Missstände zurückgeführt werden, die ihre Wurzeln nicht nur in der documenta haben. Die Beiträge in diesem Buch machen auf mich den Eindruck, als hätten viele der sobat-sobat mit großer Motivation die lumbung-Werte und -Methoden ausprobiert und angewendet. So finden sich viele sogenannte Harvests, also Sammlungen von Informationen und Ergebnissen zu einem Thema in unterschiedlicher Form: Mind Maps, Notizen, Timelines, Dialoge und vieles mehr. Eigentlich ist die Publikation selbst ein Harvest. Die Ernte eines Austauschs von Kunstvermittler:innen der documenta fifteen. Die Anwendung der lumbung-Werte und -Methoden wird in diesem Buch spielerisch verdeutlicht und die vielen entwickelten Formate und kreativen Umsetzungen sind umso bemerkenswerter, wenn man sie neben Texten liest, diesich mit den schwierigen Arbeitsbedingungen der Kunstvermittler:innen auf der documenta fifteen befassen. Tatsächlich verweisen dieses Buch und der offene Brief auf eine wichtige Kernaussage ruangrupas, nämlich auf das aktivistische, schaffensfreudige, politische Potenzial, das kollektiven Prozessen innewohnt. Auf eine sehr schöne Art und Weise wurde für die Verwirklichung des Buchs und des Briefs auf Ressourcen zurückgegriffen, die Teil der Ausstellung und des Konzepts waren, wie zum Beispiel die lumbung Press. Trotz allem hätte ich mir der Vollständigkeit halber neben der Reflexion über die Zusammenarbeit zwischen den sobat-sobat und der documenta gGmbH sowie dem Education Department auch eine kritischere Reflexion der Kuration gewünscht. Die bunte Zusammenstellung von persönlichen Erfahrungsberichten über die Vermittlungsarbeit auf der Weltausstellung documenta fifteen und Reflexionen über die Voraussetzungen für gute Vermittlungsarbeit sowie die Behandlung aktueller Themen der Kunstvermittlung mit einem starken Praxisbezug machen das Buch der sobat-sobatzu einer lesenswerten Lektüre für alle, die gern hinter die Kulissen der letzten documenta schauen möchten, mehr über das Konzept des sobat als Vermittler:in erfahren wollen und Lust darauf haben, mit diesem Buch einiges über das enorme Potenzial des Zusammentreffens so vieler engagierter Kunstvermittler:innen zu lernen. „Ever Been Friendzoned by an Institution?“ hat die ISBN 9783000733598, doch kann es aktuell leider nicht über einen Verlag bezogen werden. Interessierte sind dazu eingeladen, sich an die E-Mail-Adresse sobatpublication@gmail.com zu wenden, um ein Exemplar oder weitere Informationen zur Publikation zu erhalten. Julika Teubert, geboren 1995 in Berlin, ist sowohl Künstlerin als auch Kunstvermittlerin und studiert aktuell Freie Kunst bei der Professorin Isabel Nuño de Buen sowie Kunstvermittlung bei Professor PhD Martin Krenn an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Sie ist Mitbegründerin des „appropriate! – Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst“ und arbeitet seit zwei Jahren als ständiges Redaktionsmitglied und Autorin an der Entwicklung und Umsetzung der bisherigen vier Ausgaben des Webjournals. 1

  • Issue 1 Varain | appropriate

    Issue 1 │ Zugänglichkeit Anker 1 Ein Gespräch über das PLATZprojekt in Hannover mit der Künstlerin und Mitbegründerin Jeanne-Marie CC Varain Geführt von Anna Darmstädter und Julika Teubert Das PLATZprojekt sagt auf seiner Homepage über sich: „Das PLATZprojekt ist ein Modell- und Forschungsprojekt für experimentelle Stadtentwicklung in Hannover, basierend auf der Nutzung eines veralteten und ungenutzten Industriehofes. [Es] ist ein urbanes Experimentierfeld für Menschen mit Ideen und Begeisterung und ein Ort der vielen Möglichkeiten […]. Als konzeptionelles Leitprinzip basiert das Projekt auf der ,Do-Ocracy‘, die davon ausgeht, dass jede:r alles allein entscheiden und selbstständig handeln kann – [es] wird also von den Personen definiert, die es machen […]. Das PLATZprojekt wird von der Stadt Hannover bereits als Best-Practice-Projekt für nutzer:innengestützte Stadtentwicklung gefördert und gilt inzwischen bundesweit als Brutstätte unkonventioneller Ideen.“[1 ] Entwickelt hat sich das PLATZprojekt aus einer kleinen Gruppe des 2er Skateboarding e.V. Offiziell gegründet wurde es 2014 auf dem Gelände neben dem Skatepark und sieht sich, wie dieser, dem Do-It-Yourself-Prinzip eng verbunden.[2 ] Gibt es etwas, das dir am PLATZprojekt besonders am Herzen liegt? Da gibt es ganz viel und ich möchte nicht priorisieren, aber es gibt zwei Dinge, die ich ganz besonders liebe und schätze: Das eine ist definitiv der Container, der dann zum Café Laura Palmer wurde. Ich habe mich damals sehr reingehängt, diesen Container auszubauen, und so wurde er zu dem ersten Ort, an dem wir uns auch bei schlechtem Wetter aufhalten konnten. Das Café ist außerdem ein Ort, bei dem sich gezeigt hat, dass er für meine künstlerische Praxis sehr wichtig geworden ist. Die zweite Sache ist, dass ich Baustellen in der Stadt wahnsinnig schön finde. Das beobachte ich auch viel beim PLATZprojekt und merke dabei, wie wichtig es für mich und andere ist, selber gestalten zu können und händisch zu arbeiten, vor allem, weil das im Stadtraum oft nicht so möglich ist. Und welche Verbindung gibt es konkret zwischen deiner künstlerischen Praxis und dem PLATZprojekt als einem sozialen Stadtentwicklungsprojekt? Ich glaube, zuerst muss ich etwas zu meiner vorhergehenden künstlerischen Praxis sagen: Als ich noch an der HBK Braunschweig studierte, habe ich ziemlich marktkonform gearbeitet, weil ich es so gelernt und vermittelt bekommen habe. Dann bin ich nach Island gegangen – in etwa zeitgleich zu der Gründung des PLATZprojekts – und habe angefangen, mich stark damit auseinanderzusetzen, was Kunst noch alles bedeuten kann. Ich habe gemerkt, dass ich mich nicht auf diesem Markt sehen will, sondern denke, dass Kunst gesellschaftlich relevant sein und transformativ mitwirken soll. Themen wie Socially Engaged Art, Dialogical Aesthetics und soziale Plastik wurden für mich wichtig. Heute gilt für mich „Kunst ist Leben, Leben ist Kunst“ und dadurch ist meine künstlerische Praxis von gar nichts mehr zu trennen. Die Arbeit am PLATZprojekt ist für mich definitiv Teil meiner künstlerischen Praxis, weil ich probiere, Menschen die Möglichkeit zu geben, zu sprechen und gehört zu werden, und sie dabei zu unterstützen, sich von kapitalistischen patriarchalen Strukturen zu befreien und von Zwängen freizumachen. Für mich ist alles, was ich in der ästhetischen und kreativen Praxis gelernt habe, extrem wertvoll, weil ich glaube, dass sich auszudrücken nicht immer nur was mit Sprache zu tun hat. Es gibt ganz andere Möglichkeiten, das Innerste nach außen zu tragen und sich auszudrücken, die die Kunst schon lange kennt. Eine Zeit lang hatte ich jeden Sonntag eine anarchistische Bibliothek im Café Laura Palmer installiert. Über die Bücher, die ich auch alle selbst gelesen habe, sind immer sehr freie und konstruktive Gespräche entstanden. Seitdem ich fest im Vorstand bin, habe ich leider zu wenig Zeit dafür, obwohl ich dieses Projekt gerne wieder aufnehmen würde: die anarchistische Bücherei, Lesegruppen und Safe Spaces als Basis für Gespräche. „WIR KÜMMERN UNS UM KÜNSTLERISCHE STRÖMUNGEN ANARCHISTISCHE IDEEN UND MULTIPLE UTOPIEN WIR NEHMEN UNS ALS KOLLEKTIV WAHR ALLES MENSCHEN DIE INTERDISZIPLINÄR UND OFFEN ARBEITEN WOLLEN“[3 ] Dieses Statement findet sich auf deiner Website. Ist das PLATZprojekt eine solche multiple Utopie? Das ist eine schwere Frage. Es ist eine multiple Utopie, in dem Sinne, dass dort viele Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Wünschen zusammenkommen und wir probieren, für alle Raum zu schaffen. Es ist nicht leicht, das zu machen, definitiv, weil man irgendwann extrem große Managementtools verwenden muss, um Möglichkeitsräume, Entwicklungsräume und Reallabore aufrechtzuerhalten. Das kann dann abschreckend auf Menschen wirken, die sich einbringen möchten. Wir sind alle mit Ideen, Wünschen und Utopien an diesen Ort gekommen, aber dann wurde ganz schnell klar, dass die Verwaltung sehr einnehmend ist. Bisher wird sie von Leuten im Ehrenamt gemacht, die eigentlich Energie auf andere Bereiche, beispielsweise die kreative Arbeit, verwenden wollen. Um dieses Problem zu lösen, möchten wir bezahlte Stellen einrichten. Das ist aber schwer, weil wir nicht sehr gerne wirtschaftlich denken, und es ist uns auch total wichtig, dass das so bleibt. Den meisten Menschen, die ins PLATZprojekt involviert sind, geht es um einen anderen gesellschaftlichen Ort als den kapitalistisch geprägten Marktentwurf, in dem wir sonst existieren. Ich hoffe einfach, dass das PLATZprojekt noch lange da ist und sich ein Rückgrat aufbauen kann, um das ganz viele Multiversen entstehen, die alle ihre Ideen und Utopien ausprobieren können. Und wie finanziert sich das PLATZprojekt bisher? Wir haben für unsere Finanzierung drei Säulen: Die erste Säule bildet der Verein des PLATZprojekts, das heißt, unsere Fördermitglieder zahlen Beiträge. Die zweite Säule ist aktuell die Haupteinnahmequelle, das sind die Projektmitglieder mit der Container- und Stellflächenmiete. Wir wollen die Projekte aber in der Zukunft finanziell entlasten, weil sie auch diejenigen sind, die den Ort und unsere Angebote erst gestalten. Die dritte Säule sind Gastronomie und kulturelle Veranstaltungen, die erwirtschaften aber weniger, als man erwarten würde, weil die Preise auf Spendenbasis oder sehr günstig sind. Das PLATZprojekt erzielt keinen Gewinn, es finanziert sich lediglich selbst. Wir sind gerade an einem Punkt, an dem wir keine Investitionen mehr machen können, und das ist ganz schön gefährlich. Deswegen haben wir jetzt auch Anträge auf eine teilinstitutionelle Förderung der Stadt Hannover gestellt und hoffen, dass das klappt. Welche Kriterien muss ein Projekt denn erfüllen und wie funktioniert die Bewerbung? Habt ihr einen politischen Konsens in eurer Entscheidungsfindung? Konsens und Basis für unsere Entscheidungen ist, dass wir parteiunpolitisch agieren und das PLATZprojekt keinen Raum für Diskriminierung lässt. Die Grundidee war, dass beispielsweise Menschen aus der Kreativwirtschaft, die ihr Projekt ohne großes Risiko testen möchten, bei uns die Möglichkeit und den Forschungsraum dazu finden – also Dinge, für die in der Stadt sonst kein Platz ist. Wer interessiert ist oder eine Projektidee hat, kann bei uns im Plenum vorbeikommen und sich vorstellen. Wenn die Anwesenden für das Projekt stimmen, muss sich ein:e Pat:in finden, die dann in das PLATZprojekt einführt. Außerdem gibt es noch unsere Atelierräume, in denen Leute mit Projektidee reinschnuppern können, bis wir gegenseitig sicher sind, dass eine Zusammenarbeit gut funktioniert. Euch gelingt es, mit eurem Angebot soziale Gruppen zu erreichen, die von Museen selten oder gar nicht erreicht werden. Welche Faktoren spielen hier eine wichtige Rolle? Unsere Herangehensweise ist von Grund auf eine andere als die konservativer Institutionen, die strukturell wenig Raum für alternative Wege und Entscheidungen haben. Das führt dazu, dass sich das PLATZprojekt an die Stadt und die direkte Nachbar:innenschaft anpasst. Die Struktur ist flexibel, offen für Neues und auch der Grund, weshalb viele Leute zu uns kommen, die keine Lust auf elitäre Museen und White Cubes haben. Außerdem bemühen wir uns um einen möglichst niedrigschwelligen Zugang. Da spielen Orte wie unser Café, das in seiner Funktion ziemlich international verständlich ist, eine wichtige Rolle. Von unseren Vermittlungsangeboten wird es am besten angenommen. Wie wichtig ist es für euch, das Spektrum an sozialen Gruppen, die das PLATZprojekt besuchen, noch zu erweitern? Hat das PLATZprojekt eigene Strategien für die Öffentlichkeitsarbeit entwickelt, um es in der Zukunft noch zugänglicher zu machen? Recht lange lag darauf kein besonderer Fokus, weil die Entwicklung des PLATZprojekts stark davon abhängt, wer sich aktuell engagiert und welche Interessen diese Personen mitbringen. Kurz vor der Coronapandemie hatten wir uns aber dazu entschieden, auf den Bildschirmen in öffentlichen Verkehrsmitteln erstmal ganz, ganz breit darüber zu informieren, dass es diesen Ort überhaupt gibt. Wir liegen nämlich in einem Industriegebiet und haben in dem Sinne keine „Laufkundschaft“. Trotzdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass es vielen Leuten zwar schwerfällt, von sich aus auf uns zuzugehen, aber dass alle, die auch nur mit einer involvierten Person ins Gespräch kommen, extrem begeistert sind und gerne wiederkommen. Findet eigentlich eine Zusammenarbeit oder ein Austausch zwischen dem PLATZprojekt und anderen Projektorten oder sogar Museen in Hannover statt? Können sich die verschiedenen Kulturräume untereinander möglicherweise unterstützen? Das PLATZprojekt hat vor allem durch die Artist Residence und das Angebot dort eine Schnittstelle mit anderen Kunstinstitutionen. Wir achten da schon darauf, dass es einen regelmäßigen Austausch gibt, zum Beispiel mit den Kunstvereinen Langenhagen und Hannover oder der Niki Residency, und freuen uns jedes Mal, wenn Institutionen Interesse zeigen und uns supporten. Ich denke aber, dass Kunstinstitutionen auf der einen und Off-Spaces wie das PLATZprojekt auf der anderen Seite einfach unterschiedliche Ziele verfolgen. Deshalb ist fraglich, wie sinnvoll eine enge Zusammenarbeit überhaupt wäre. In jedem Fall ist uns unsere Unabhängigkeit von Institutionen sehr wichtig. Der Schwerpunkt liegt mehr auf dem Kontakt zur Nachbar:innenschaft und wenn es hart auf hart käme und das PLATZprojekt von einer Räumung bedroht wäre, ist uns Support aus der Zivilgesellschaft viel wichtiger als eine Unterstützung durch Institutionen. Langfristig würden wir gerne eins der städtisch geförderten Residenzprogramme werden, das würde uns sehr unterstützen. Was würdest du Personen als Gedanken mitgeben, die selbst einen Ort wie das PLATZprojekt schaffen wollen oder einen Teil eurer Praktik in die eigene Arbeit integrieren möchten? Das ist nicht leicht zu beantworten. Wer wirklich ein solches Projekt angehen will, dem kann ich sagen: Radical care! Sorgearbeit ist extrem wichtig und sie ist wertzuschätzen. Damit meine ich, Selfcare, Groupcare und Placecare als Keyelement ernst zu nehmen, um einen ersten Schritt gegen die Gesellschaftskultur zu gehen, in der wir leben. Vielen Dank für das Gespräch, wir freuen uns schon sehr darauf, das PLATZprojekt zu besuchen, sobald es wieder öffnen darf! Update: Kurze Zeit nach unserem Gespräch wurde dem PLATZprojekt e.V. die Förderung der LAGS, sowie eine teilinstitutionelle Förderung durch die Stadt Hannover zugesichert! Jeanne-Marie CC Varain, geb. 1990, Künstlerin und Aktivistin im urbanen und ruralen Raum. Diplom Freie Kunst an der HBK Braunschweig 2015 bei Thomas Rentmeister; Master Raumstrategien Muthesius Kunsthochschule Kiel 2018; Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes. Mitbegründerin des PLATZprojekt e.V. und des Künstler:innen Labels AGF spirit, Kuratorin und Leiterin des Avantgarde Festivals und der Artist Residence auf dem PLATZprojekt. Die künstlerisch-aktivistische Arbeit von Varain fokussiert sich auf den Menschen und Lebensräume, auf Veränderungen und Freude, auf Übertragung, Anpassung und Umdeutung. Frühlingsfest PLATZprojekt Foto: Kuki Endnoten [1] PLATZprojekt. https://platzprojekt.de/infos/ (Zugriff 15.02.2021) [Zurück zur Textstelle ] [2] Vgl. PLATZprojekt. https://platzprojekt.de/infos/ (Zugriff 15.02.2021) [Zurück zur Textstelle ] [3] Jeanne-Marie CC Varain. https://npiece.com/jeanne-marie-cc-varain/works:all?l=de (Zugriff 15.02.2021) [Zurück zur Textstelle ] Anker 2 Anker 4 Anker 3 Anker 5 Anker 6 Anker 7

  • Datenschutzerklärung | appropriate

    Issue 1 │ Zugänglichkeit Anker 1 Datenschutzerklärung Eine Nutzung der Internetseiten des Journals „appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst“ ist grundsätzlich ohne jede Angabe personenbezogener Daten möglich. Ist die Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich und besteht für eine solche Verarbeitung keine gesetzliche Grundlage, holen wir generell eine Einwilligung der betroffenen Person ein. Im Falle einer Kontaktaufnahme werden personenbezogene Daten, beispielsweise des Namens, der Anschrift, E-Mail-Adresse oder Telefonnummer einer betroffenen Person, stets im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung und in Übereinstimmung mit den für appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst geltenden landesspezifischen Datenschutzbestimmungen, verarbeitet. Mittels dieser Datenschutzerklärung möchte unser Journal die Öffentlichkeit über Art, Umfang und Zweck der von uns erhobenen, genutzten und verarbeiteten personenbezogenen Daten informieren. Ferner werden betroffene Personen mittels dieser Datenschutzerklärung über die ihnen zustehenden Rechte aufgeklärt. Martin Krenn, Herausgeber von „appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst“ hat für die Verarbeitung als Verantwortlicher zahlreiche technische und organisatorische Maßnahmen umgesetzt, um einen möglichst lückenlosen Schutz der über diese Internetseite verarbeiteten personenbezogenen Daten sicherzustellen. Dennoch können Internetbasierte Datenübertragungen grundsätzlich Sicherheitslücken aufweisen, sodass ein absoluter Schutz nicht gewährleistet werden kann. Aus diesem Grund steht es jeder betroffenen Person frei, personenbezogene Daten auch auf alternativen Wegen, beispielsweise telefonisch, zu übermitteln. 1. Begriffsbestimmungen Die Datenschutzerklärung der appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst beruht auf den Begrifflichkeiten, die durch den Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber beim Erlass der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) verwendet wurden. Unsere Datenschutzerklärung soll sowohl für die Öffentlichkeit als auch unsere Autor:innen und Gesprächspartner:innen einfach lesbar und verständlich sein. Um dies zu gewährleisten, möchten wir vorab die verwendeten Begrifflichkeiten erläutern. Wir verwenden in dieser Datenschutzerklärung unter anderem die folgenden Begriffe: a) personenbezogene Daten Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. b) betroffene Person Betroffene Person ist jede identifizierte oder identifizierbare natürliche Person, deren personenbezogene Daten von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen verarbeitet werden. c) Verarbeitung Verarbeitung ist jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung. d) Einschränkung der Verarbeitung Einschränkung der Verarbeitung ist die Markierung gespeicherter personenbezogener Daten mit dem Ziel, ihre künftige Verarbeitung einzuschränken. e) Profiling Profiling ist jede Art der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, dass diese personenbezogenen Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, insbesondere, um Aspekte bezüglich Arbeitsleistung, wirtschaftlicher Lage, Gesundheit, persönlicher Vorlieben, Interessen, Zuverlässigkeit, Verhalten, Aufenthaltsort oder Ortswechsel dieser natürlichen Person zu analysieren oder vorherzusagen. f) Pseudonymisierung Pseudonymisierung ist die Verarbeitung personenbezogener Daten in einer Weise, auf welche die personenbezogenen Daten ohne Hinzuziehung zusätzlicher Informationen nicht mehr einer spezifischen betroffenen Person zugeordnet werden können, sofern diese zusätzlichen Informationen gesondert aufbewahrt werden und technischen und organisatorischen Maßnahmen unterliegen, die gewährleisten, dass die personenbezogenen Daten nicht einer identifizierten oder identifizierbaren natürlichen Person zugewiesen werden. g) Verantwortlicher oder für die Verarbeitung Verantwortlicher Verantwortlicher oder für die Verarbeitung Verantwortlicher ist die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche beziehungsweise können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden. h) Auftragsverarbeiter Auftragsverarbeiter ist eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet. i) Empfänger Empfänger ist eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, der personenbezogene Daten offengelegt werden, unabhängig davon, ob es sich bei ihr um einen Dritten handelt oder nicht. Behörden, die im Rahmen eines bestimmten Untersuchungsauftrags nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten möglicherweise personenbezogene Daten erhalten, gelten jedoch nicht als Empfänger. j) Dritter Dritter ist eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle außer der betroffenen Person, dem Verantwortlichen, dem Auftragsverarbeiter und den Personen, die unter der unmittelbaren Verantwortung des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters befugt sind, die personenbezogenen Daten zu verarbeiten. k) Einwilligung Einwilligung ist jede von der betroffenen Person freiwillig für den bestimmten Fall in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. 2. Name und Anschrift des für die Verarbeitung Verantwortlichen Verantwortlicher im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung, sonstiger in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltenden Datenschutzgesetze und anderer Bestimmungen mit datenschutzrechtlichem Charakter ist die: appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst Martin Krenn Institut FREIE KUNST Hochschule für Bildende Künste Braunschweig Johannes-Selenka-Platz 1 D-38118 Braunschweig Tel.: +49 (0)531 391 9011 E-Mail: m.krenn@hbk-bs.de Website: https://www.appropriate-journal.art/ 3. Cookies Die Internetseiten der appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst verwenden Cookies. Cookies sind Textdateien, welche über einen Internetbrowser auf einem Computersystem abgelegt und gespeichert werden. Zahlreiche Internetseiten und Server verwenden Cookies. Viele Cookies enthalten eine sogenannte Cookie-ID. Eine Cookie-ID ist eine eindeutige Kennung des Cookies. 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Entfällt der Speicherungszweck oder läuft eine vom Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber oder einem anderen zuständigen Gesetzgeber vorgeschriebene Speicherfrist ab, werden die personenbezogenen Daten routinemäßig und entsprechend den gesetzlichen Vorschriften gesperrt oder gelöscht. 6. Rechte der betroffenen Person a) Recht auf Bestätigung Jede betroffene Person hat das vom Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber eingeräumte Recht, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Möchte eine betroffene Person dieses Bestätigungsrecht in Anspruch nehmen, kann sie sich hierzu jederzeit an einen Mitarbeiter des für die Verarbeitung Verantwortlichen wenden. b) Recht auf Auskunft Jede von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffene Person hat das vom Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber gewährte Recht, jederzeit von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen unentgeltliche Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten und eine Kopie dieser Auskunft zu erhalten. Ferner hat der Europäische Richtlinien- und Verordnungsgeber der betroffenen Person Auskunft über folgende Informationen zugestanden: die Verarbeitungszwecke die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden: Alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Abs.1 und 4 DS-GVO und — zumindest in diesen Fällen — aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person Ferner steht der betroffenen Person ein Auskunftsrecht darüber zu, ob personenbezogene Daten an ein Drittland oder an eine internationale Organisation übermittelt wurden. Sofern dies der Fall ist, so steht der betroffenen Person im Übrigen das Recht zu, Auskunft über die geeigneten Garantien im Zusammenhang mit der Übermittlung zu erhalten. Möchte eine betroffene Person dieses Auskunftsrecht in Anspruch nehmen, kann sie sich hierzu jederzeit an einen Mitarbeiter des für die Verarbeitung Verantwortlichen wenden. c) Recht auf Berichtigung Jede von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffene Person hat das vom Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber gewährte Recht, die unverzügliche Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen. Ferner steht der betroffenen Person das Recht zu, unter Berücksichtigung der Zwecke der Verarbeitung, die Vervollständigung unvollständiger personenbezogener Daten — auch mittels einer ergänzenden Erklärung — zu verlangen. Möchte eine betroffene Person dieses Berichtigungsrecht in Anspruch nehmen, kann sie sich hierzu jederzeit an einen Mitarbeiter des für die Verarbeitung Verantwortlichen wenden. d) Recht auf Löschung (Recht auf Vergessen werden) Jede von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffene Person hat das vom Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber gewährte Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass die sie betreffenden personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft und soweit die Verarbeitung nicht erforderlich ist: Die personenbezogenen Daten wurden für solche Zwecke erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet, für welche sie nicht mehr notwendig sind. Die betroffene Person widerruft ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a DS-GVO oder Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a DS-GVO stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung. Die betroffene Person legt gemäß Art. 21 Abs. 1 DS-GVO Widerspruch gegen die Verarbeitung ein, und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Art. 21 Abs. 2 DS-GVO Widerspruch gegen die Verarbeitung ein. Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. Die Löschung der personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt. Die personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Art. 8 Abs. 1 DS-GVO erhoben. Sofern einer der oben genannten Gründe zutrifft und eine betroffene Person die Löschung von personenbezogenen Daten, die bei der appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst gespeichert sind, veranlassen möchte, kann sie sich hierzu jederzeit an einen Mitarbeiter des für die Verarbeitung Verantwortlichen wenden. Der Mitarbeiter der appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst wird veranlassen, dass dem Löschverlangen unverzüglich nachgekommen wird. Wurden die personenbezogenen Daten von der appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst öffentlich gemacht und ist unser Unternehmen als Verantwortlicher gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO zur Löschung der personenbezogenen Daten verpflichtet, so trifft die appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst unter Berücksichtigung der verfügbaren Technologie und der Implementierungskosten angemessene Maßnahmen, auch technischer Art, um andere für die Datenverarbeitung Verantwortliche, welche die veröffentlichten personenbezogenen Daten verarbeiten, darüber in Kenntnis zu setzen, dass die betroffene Person von diesen anderen für die Datenverarbeitung Verantwortlichen die Löschung sämtlicher Links zu diesen personenbezogenen Daten oder von Kopien oder Replikationen dieser personenbezogenen Daten verlangt hat, soweit die Verarbeitung nicht erforderlich ist. Der Mitarbeiter der appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst wird im Einzelfall das Notwendige veranlassen. e) Recht auf Einschränkung der Verarbeitung Jede von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffene Person hat das vom Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber gewährte Recht, von dem Verantwortlichen die Einschränkung der Verarbeitung zu verlangen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen gegeben ist: Die Richtigkeit der personenbezogenen Daten wird von der betroffenen Person bestritten, und zwar für eine Dauer, die es dem Verantwortlichen ermöglicht, die Richtigkeit der personenbezogenen Daten zu überprüfen. Die Verarbeitung ist unrechtmäßig, die betroffene Person lehnt die Löschung der personenbezogenen Daten ab und verlangt stattdessen die Einschränkung der Nutzung der personenbezogenen Daten. Der Verantwortliche benötigt die personenbezogenen Daten für die Zwecke der Verarbeitung nicht länger, die betroffene Person benötigt sie jedoch zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen. Die betroffene Person hat Widerspruch gegen die Verarbeitung gem. Art. 21 Abs. 1 DS-GVO eingelegt und es steht noch nicht fest, ob die berechtigten Gründe des Verantwortlichen gegenüber denen der betroffenen Person überwiegen. Sofern eine der oben genannten Voraussetzungen gegeben ist und eine betroffene Person die Einschränkung von personenbezogenen Daten, die bei der appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst gespeichert sind, verlangen möchte, kann sie sich hierzu jederzeit an einen Mitarbeiter des für die Verarbeitung Verantwortlichen wenden. Der Mitarbeiter der appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst wird die Einschränkung der Verarbeitung veranlassen. f) Recht auf Datenübertragbarkeit Jede von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffene Person hat das vom Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber gewährte Recht, die sie betreffenden personenbezogenen Daten, welche durch die betroffene Person einem Verantwortlichen bereitgestellt wurden, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten. Sie hat außerdem das Recht, diese Daten einem anderen Verantwortlichen ohne Behinderung durch den Verantwortlichen, dem die personenbezogenen Daten bereitgestellt wurden, zu übermitteln, sofern die Verarbeitung auf der Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a DS-GVO oder Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a DS-GVO oder auf einem Vertrag gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b DS-GVO beruht und die Verarbeitung mithilfe automatisierter Verfahren erfolgt, sofern die Verarbeitung nicht für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, welche dem Verantwortlichen übertragen wurde. Ferner hat die betroffene Person bei der Ausübung ihres Rechts auf Datenübertragbarkeit gemäß Art. 20 Abs. 1 DS-GVO das Recht, zu erwirken, dass die personenbezogenen Daten direkt von einem Verantwortlichen an einen anderen Verantwortlichen übermittelt werden, soweit dies technisch machbar ist und sofern hiervon nicht die Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigt werden. Zur Geltendmachung des Rechts auf Datenübertragbarkeit kann sich die betroffene Person jederzeit an den Herausgeber von appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst wenden. g) Recht auf Widerspruch Jede von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffene Person hat das vom Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber gewährte Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten, die aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchstaben e oder f DS-GVO erfolgt, Widerspruch einzulegen. Dies gilt auch für ein auf diese Bestimmungen gestütztes Profiling. Appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst verarbeitet die personenbezogenen Daten im Falle des Widerspruchs nicht mehr, es sei denn, wir können zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen, die den Interessen, Rechten und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen, oder die Verarbeitung dient der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen. Verarbeitet die appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst personenbezogene Daten, um Direktwerbung zu betreiben, so hat die betroffene Person das Recht, jederzeit Widerspruch gegen die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zum Zwecke derartiger Werbung einzulegen. Dies gilt auch für das Profiling, soweit es mit solcher Direktwerbung in Verbindung steht. Widerspricht die betroffene Person gegenüber der appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst der Verarbeitung für Zwecke der Direktwerbung, so wird die appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst die personenbezogenen Daten nicht mehr für diese Zwecke verarbeiten. Zudem hat die betroffene Person das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, gegen die sie betreffende Verarbeitung personenbezogener Daten, die bei appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst zu wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken oder zu statistischen Zwecken gemäß Art. 89 Abs. 1 DS-GVO erfolgen, Widerspruch einzulegen, es sei denn, eine solche Verarbeitung ist zur Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich. Zur Ausübung des Rechts auf Widerspruch kann sich die betroffene Person direkt an den Herausgeber von appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst wenden. Der betroffenen Person steht es ferner frei, im Zusammenhang mit der Nutzung von Diensten der Informationsgesellschaft, ungeachtet der Richtlinie 2002/58/EG, ihr Widerspruchsrecht mittels automatisierter Verfahren auszuüben, bei denen technische Spezifikationen verwendet werden. h) Automatisierte Entscheidungen im Einzelfall einschließlich Profiling Jede von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffene Person hat das vom Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber gewährte Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung — einschließlich Profiling — beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt, sofern die Entscheidung (1) nicht für den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen erforderlich ist, oder (2) aufgrund von Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, denen der Verantwortliche unterliegt, zulässig ist und diese Rechtsvorschriften angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person enthalten oder (3) mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person erfolgt. Ist die Entscheidung (1) für den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen erforderlich oder (2) erfolgt sie mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person, trifft die appropriate! - Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst angemessene Maßnahmen, um die Rechte und Freiheiten sowie die berechtigten Interessen der betroffenen Person zu wahren, wozu mindestens das Recht auf Erwirkung des Eingreifens einer Person seitens des Verantwortlichen, auf Darlegung des eigenen Standpunkts und auf Anfechtung der Entscheidung gehört. Möchte die betroffene Person Rechte mit Bezug auf automatisierte Entscheidungen geltend machen, kann sie sich hierzu jederzeit an einen Mitarbeiter des für die Verarbeitung Verantwortlichen wenden. i) Recht auf Widerruf einer datenschutzrechtlichen Einwilligung Jede von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffene Person hat das vom Europäischen Richtlinien- und Verordnungsgeber gewährte Recht, eine Einwilligung zur Verarbeitung personenbezogener Daten jederzeit zu widerrufen. Möchte die betroffene Person ihr Recht auf Widerruf einer Einwilligung geltend machen, kann sie sich hierzu jederzeit an einen Mitarbeiter des für die Verarbeitung Verantwortlichen wenden. 7. Rechtsgrundlage der Verarbeitung Art. 6 I lit. a DS-GVO dient unserem Unternehmen als Rechtsgrundlage für Verarbeitungsvorgänge, bei denen wir eine Einwilligung für einen bestimmten Verarbeitungszweck einholen. Ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, erforderlich, wie dies beispielsweise bei Verarbeitungsvorgängen der Fall ist, die für eine Lieferung von Waren oder die Erbringung einer sonstigen Leistung oder Gegenleistung notwendig sind, so beruht die Verarbeitung auf Art. 6 I lit. b DS-GVO. Gleiches gilt für solche Verarbeitungsvorgänge die zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich sind, etwa in Fällen von Anfragen zur unseren Produkten oder Leistungen. Unterliegt unser Unternehmen einer rechtlichen Verpflichtung durch welche eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten erforderlich wird, wie beispielsweise zur Erfüllung steuerlicher Pflichten, so basiert die Verarbeitung auf Art. 6 I lit. c DS-GVO. In seltenen Fällen könnte die Verarbeitung von personenbezogenen Daten erforderlich werden, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Besucher in unserem Betrieb verletzt werden würde und daraufhin sein Name, sein Alter, seine Krankenkassendaten oder sonstige lebenswichtige Informationen an einen Arzt, ein Krankenhaus oder sonstige Dritte weitergegeben werden müssten. Dann würde die Verarbeitung auf Art. 6 I lit. d DS-GVO beruhen. Letztlich könnten Verarbeitungsvorgänge auf Art. 6 I lit. f DS-GVO beruhen. Auf dieser Rechtsgrundlage basieren Verarbeitungsvorgänge, die von keiner der vorgenannten Rechtsgrundlagen erfasst werden, wenn die Verarbeitung zur Wahrung eines berechtigten Interesses unseres Unternehmens oder eines Dritten erforderlich ist, sofern die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten des Betroffenen nicht überwiegen. Solche Verarbeitungsvorgänge sind uns insbesondere deshalb gestattet, weil sie durch den Europäischen Gesetzgeber besonders erwähnt wurden. Er vertrat insoweit die Auffassung, dass ein berechtigtes Interesse anzunehmen sein könnte, wenn die betroffene Person ein Kunde des Verantwortlichen ist (Erwägungsgrund 47 Satz 2 DS-GVO). 8. Berechtigte Interessen an der Verarbeitung, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden Basiert die Verarbeitung personenbezogener Daten auf Artikel 6 I lit. f DS-GVO ist unser berechtigtes Interesse die Durchführung unserer Geschäftstätigkeit zugunsten des Wohlergehens all unserer Mitarbeiter und unserer Anteilseigner. 9. Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden Das Kriterium für die Dauer der Speicherung von personenbezogenen Daten ist die jeweilige gesetzliche Aufbewahrungsfrist. Nach Ablauf der Frist werden die entsprechenden Daten routinemäßig gelöscht, sofern sie nicht mehr zur Vertragserfüllung oder Vertragsanbahnung erforderlich sind. 10. Gesetzliche oder vertragliche Vorschriften zur Bereitstellung der personenbezogenen Daten; Erforderlichkeit für den Vertragsabschluss; Verpflichtung der betroffenen Person, die personenbezogenen Daten bereitzustellen; mögliche Folgen der Nichtbereitstellung Wir klären Sie darüber auf, dass die Bereitstellung personenbezogener Daten zum Teil gesetzlich vorgeschrieben ist (z.B. Steuervorschriften) oder sich auch aus vertraglichen Regelungen (z.B. Angaben zum Vertragspartner) ergeben kann. Mitunter kann es zu einem Vertragsschluss erforderlich sein, dass eine betroffene Person uns personenbezogene Daten zur Verfügung stellt, die in der Folge durch uns verarbeitet werden müssen. Die betroffene Person ist beispielsweise verpflichtet uns personenbezogene Daten bereitzustellen, wenn unser Unternehmen mit ihr einen Vertrag abschließt. Eine Nichtbereitstellung der personenbezogenen Daten hätte zur Folge, dass der Vertrag mit dem Betroffenen nicht geschlossen werden könnte. Vor einer Bereitstellung personenbezogener Daten durch den Betroffenen muss sich der Betroffene an einen unserer Mitarbeiter wenden. Unser Mitarbeiter klärt den Betroffenen einzelfallbezogen darüber auf, ob die Bereitstellung der personenbezogenen Daten gesetzlich oder vertraglich vorgeschrieben oder für den Vertragsabschluss erforderlich ist, ob eine Verpflichtung besteht, die personenbezogenen Daten bereitzustellen, und welche Folgen die Nichtbereitstellung der personenbezogenen Daten hätte. 11. Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung Als verantwortungsbewusstes Unternehmen verzichten wir auf eine automatische Entscheidungsfindung oder ein Profiling. Diese Datenschutzerklärung wurde durch den Datenschutzerklärungs-Generator der DGD Deutsche Gesellschaft für Datenschutz GmbH, die als Externer Datenschutzbeauftragter Hamburg tätig ist, in Kooperation mit dem Datenschutz Anwalt Christian Solmecke erstellt. Weitere Informationen Diese Website wurde mit Wix.com Ltd. Namal 40, 6350671 Tel Aviv, Israel ("Wix") erstellt und wird auch auf deren Servern gehostet. Wix trifft physische, elektronische und verfahrenstechnische Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der personenbezogenen Daten seiner Nutzer und den Website-Besuchern. Datenschutzbestimmungen von Wix, sind hier abrufbar: http://de.wix.com/about/privacy. Wix.com ist zertifizierter Teilnehmer des EU-US Privacy Shield Frameworks. Wix.com hat sich dazu verpflichtet, sämtliche von Mitgliegstaaten der Europäischen Union (EU) enthaltenen personenbezogenen Daten gemäß dem Privacy Shield Framework entsprechend dessen geltenden Prinzipien handzuhaben. Weitere Informationen über das Privacy Shield Framework finden Sie auf der Privacy Shield Liste des US-Handelsministeriums unter [https://www.privacyshield.gov]. 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Datenschutzerklärung für das integrierte Wix Analysesystem Wix erhebt statistische Daten über den Besuch dieser Website. Zu den Zugriffsdaten gehören: Name der abgerufenen Webseite, Datei, Datum und Uhrzeit des Abrufs, übertragene Datenmenge, Meldung über erfolgreichen Abruf, Browsertyp nebst Version, das Betriebssystem des Nutzers, Referrer URL (die zuvor besuchte Seite), IP-Adresse und der anfragende Provider. Wix verwendet die Protokolldaten für statistische Auswertungen zum Zweck des Betriebs, der Sicherheit und der Optimierung des Angebotes und diese stehen auch uns als Betreiber dieser Website zur Verfügung. Bitte lesen Sie auch dazu die Datenschutzbestimmungen von Wix welche hier http://de.wix.com/about/privacy abrufbar sind. 1. Datenschutz auf einen Blick Allgemeine Hinweise Die folgenden Hinweise geben einen einfachen Überblick darüber, was mit Ihren personenbezogenen Daten passiert, wenn Sie unsere Website besuchen. Personenbezogene Daten sind alle Daten, mit denen Sie persönlich identifiziert werden können. Ausführliche Informationen zum Thema Datenschutz entnehmen Sie unserer unter diesem Text aufgeführten Datenschutzerklärung. Datenerfassung auf unserer Website Wer ist verantwortlich für die Datenerfassung auf dieser Website? Die Datenverarbeitung auf dieser Website erfolgt durch den Websitebetreiber. Dessen Kontaktdaten können Sie dem Impressum dieser Website entnehmen. Wie erfassen wir Ihre Daten? Ihre Daten werden zum einen dadurch erhoben, dass Sie uns diese mitteilen. Hierbei kann es sich z.B. um Daten handeln, die Sie in ein Kontaktformular eingeben. Andere Daten werden automatisch beim Besuch der Website durch unsere IT-Systeme erfasst. Das sind vor allem technische Daten (z.B. Internetbrowser, Betriebssystem oder Uhrzeit des Seitenaufrufs). Die Erfassung dieser Daten erfolgt automatisch, sobald Sie unsere Website betreten. Wofür nutzen wir Ihre Daten? 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  • Issue 1 Editorial | appropriate

    Issue 1 │ Zugänglichkeit Anker 1 Editorial Martin Krenn, Julika Teubert Die erste Ausgabe von appropriate! widmet sich dem Thema Zugänglichkeit. Wer hat Zugang zur Gegenwartskunst? Was soll Kunst heute vermitteln? Welche Rolle spielt Kunstvermittlung für die Demokratisierung der Kunst und welche neuen Zugänge kann Kunstvermittlung zur und für die Kunst schaffen? Welche Auswirkungen hat die durch die Coronapandemie beschleunigte Forcierung der Kunst und Kunstvermittlung in digitale Räume? Diesen Themen wird in den folgend beschriebenen transkribierten Gesprächen nachgegangen. Anna Darmstädter und Julika Teubert sprechen mit Jeanne-Marie CC Varain, Künstlerin und Mitbegründerin des PLATZprojekts in Hannover über dessen Vorteile, Besonderheiten, aber auch Herausforderungen als interaktiver, urbaner Experimentierraum. Dabei werden sie von der Frage geleitet, wieso das PLATZprojekt ganz besonders Besucher:innen erreicht, die von herkömmlichen Kulturinstitutionen weniger angezogen werden. Außerdem informiert Jeanne-Marie CC Varain über die Artist Residence auf dem PLATZprojekt, erzählt vom Austausch mit anderen Kulturorten und dem politischen Potential eines unabhängigen Entwicklungsraums. Anna Miethe und Jana Roprecht stellen an Gabriele Sand, Leiterin der Kunstvermittlung des Sprengel Museums, Fragen zu ihrem Verständnis von Kunstvermittlung und über die Möglichkeiten der Partizipation im Sprengel Museum durch Kooperationen. Besprochen wird auch, welche Strategien im Sprengel Museum seit seiner Gründung in den 1970er-Jahren entwickelt wurden, um es zu einem zugänglichen, offenen Ort zu machen, wie sich diese Strategien weiterentwickelt haben und welche Rolle der digitale Raum hierbei einnehmen kann. Claas Busche und Marius Raatz gehen gemeinsam im Gespräch mit dem an verschiedenen Häusern tätigen Künstler und Kunstvermittler Sebastian Bartel darauf ein, wie Partizipation und Zugänglichkeit zusammenhängen und in welche verschiedenen Aspekte sich Zugänglichkeit gliedert. Daneben sprechen sie über das lernende Museum, als dynamische, reflexive und transformative Institutionsform und darüber, welche Qualitäten der Kunst und Kunstvermittlung nicht in den digitalen Raum übertragen werden können. Im Praxisteil werden Kunstvermittlungsprojekte vorgestellt, die Chancen und Probleme von engagierter Vermittlung im digitalen und sozialen Raum aufzeigen. Dabei veranschaulicht Nick Schamborski in „Kritisch im Netz - Das Paradoxon der Kunstvermittlung in den sozialen Medien“, dass einerseits die hegemoniale Nutzung von digitalen Räumen und sozialen Medien gravierende Probleme wie Ableismus, Rassismus und Sexismus weiter reproduzieren. Andererseits richtet Nick Schamborski den Blick auf die vielen Möglichkeiten des digitalen Raumes, um auf bisher marginalisierte Themen aufmerksam zu machen, vorausgesetzt sie werden reflektiert und verantwortungsbewusst eingesetzt. Aus diesem Grund erklärt Nick Schamborski es für die Kunstvermittlung zur Pflicht, sich reflexiv zu positionieren, um so an der Lösung von gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen mitzuwirken. In „Discover(ing) Your Hybrid-Form – Kunstvermittlung im digitalen Wandel“ spricht Franziska Peschel über die Auflösung der Grenzen zwischen dem analogen und digitalen Leben. Dabei weitet sich der digitale Raum möglicherweise deshalb immer weiter aus, weil er seinen Nutzer:innen ein besonders großes Handlungspotenzial bietet. Auch Kunst ist online leicht produzier-, präsentier- und kommentierbar geworden. Dass sich dies für die Kunstvermittlung kreativ, dialogisch und partizipativ nutzen lässt, beschreibt Franziska Peschel in ihren Erfahrungsberichten über ihre eigene digitale kunstvermittelnde Praxis. Neben einer Besprechung des vor Kurzem erschienenen Sammelbandes "vermittlung vermitteln", herausgegeben von Ayşe Güleç, Gila Kolb, Nora Sternfeld u. a., finden sich in dieser Ausgabe auch Gastbeiträge von Eva Sturm "warum denn liegt denn die da? Kunstvermittlung und Verantwortung", Suzana Milevska "Accessibility, Access, and Affordance: The Amplitude of Participatory Art" und Steffen Rudolph "Access All Areas oder Digital Divide? Ungleichheitsperspektiven auf Kunst und digitale Kunstvermittlung in Zeiten von Covid-19". Eva Sturm bespricht in Ihrem Beitrag den Zusammenhang zwischen Kunstvermittlung und Verantwortung. Dabei schreibt sie, dass sie sich als Kunstvermittlerin berufen fühle mit Kunst zu arbeiten und Bildungsprozesse anzustoßen. Beides wäre jedoch „unvorhersehbar, nicht kontrollierbar, unendlich. Und darum eine ständige Infragestellung.“ In Zusammenhang mit der Problemsituation, wie man als Kunstvermittler:in mit einer hyperrealistischen nackten Frauenskulptur von John de Andrea umgehen könne, kam der Zufall zu Hilfe. Eine vierjährige Besucherin äußerte im Vorbeigehen beiläufig einen Kommentar, der für Eva Sturm eine neue kunstvermittlerische Perspektive auf das Werk eröffnete. Suzana Milevska bezieht sich in ihrem Text auf Irit Rogoffs Unterscheidung zwischen Zugang (access) und Zugänglichkeit (accessibility), die zu einer Demokratisierung des Kunstbetriebes beitragen soll. Deutlich wird in Milevskas Text jedoch, dass eine Demokratisierung der Kunstvermittlung nicht nur über eine Verbesserung des Zugangs zu Kunstinstitutionen erreicht werden kann, sie muss zugleich auch eine politische Agenda zur Bekämpfung der Ungleichheit in der Gesellschaft verfolgen. Steffen Rudolph untersucht in „Access All Areas oder Digital Divide? Ungleichheitsperspektiven auf Kunst und digitale Kunstvermittlung in Zeiten von Covid-19“ die von der Pandemie verstärkte Situation der Digitalisierung von Kunstinstitutionen und Kunstvermittlung und ihre Auswirkungen auf die Besucher:innen dieser Angebote. Dabei veranschaulicht er, welche Faktoren bestimmen wer Zugang zu den neuen digitalen Angeboten hat und welche Personengruppen durch die Übertragung von Angeboten in den digitalen Raum benachteiligt werden. Unter Einbeziehung der Forschungsergebnisse zur Digital Divide formuliert er schließlich wichtige Ansätze für eine inklusivere digitale Vermittlungsarbeit. Die Redaktion des Issue 1 | Zugänglichkeit setzt sich zusammen aus: Andreas Baumgartner, Claas Busche, Martin Krenn, Marianna Schalbe, Julika Teubert

  • Freundschaft oder Dienstleistung? — die sobat-sobat der documenta fifteen | Issue 4 | appropriate!

    Anna Darmstädter und Julika Teubert im Gespräch mit Nick Schamborski Iss ue 4│ Machtverhalten Anker 1 Freundschaft oder Dienstleistung? — die sobat-sobat der documenta fifteen Anna Darmstädter und Julika Teubert im Gespräch mit Nick Schamborski Nick Schamborski, sobat auf der documenta fifteen, © Huizi Yao Protestaktion der sobat-sobat am 27 August 2022 vor dem Fridericianum, © Theseas Efstathopoulos Die Arbeitsshirts der sobat-sobat vor dem Fridericianum, © Theseas Efstathopoulos Scheinbar neu konzipiert war die Kunstvermittlung der documenta fifteen. Angefangen beim Namen für die Kunstvermittler:innen: sobat-sobat, der indonesische Begriff für Freund:innen oder Gefährt:innen [1 ]. Doch weniger um Freundschaft im Sinne einer langwierigen zwischenmenschlichen Beziehung, als vielmehr um einen Ansatz für eine Gesprächshaltung sollte es auf der documenta fifteen gehen. Eine Vermittlung nicht als Vortrag, sondern als Gespräch, in dem Zugänge zu Räumen, Geschichten und Arbeitsweisen der lumbung-Praxis [2 ] erforscht werden. Die sobat-sobat begleiten durch die Ausstellung, sie führen nicht. Helfen soll dabei die Praxis des Storytelling – das Erzählen von Geschichten. Ein Vorgehen, das durchaus in das Konzept von ruangrupa passt, das keine konservative Kunstvermittlung im Sinne des schlichten Bereitstellens von Informationen intendierte. Vermitteln sollten sich die Kollektive im Sinne der partizipativen Praxis des lumbung ursprünglich selbst, umgesetzt wurde das beispielsweise in Workshops und anderen Veranstaltungen [3 ]. Doch konservative Kunstvermittlungsformate sind fester Bestandteil der documenta und wurden als solche von der documenta Leitung eingefordert. Hier tat sich ein Konflikt zwischen dem Konzept ruangrupas und den letztendlichen Rahmenbedingungen der documenta fifteen auf, der in erster Linie auf Kosten der Vermittler:innen ausgetragen wurde, so Nick Schamborski im gemeinsamen Gespräch (s. u.). Vor allem aber wurden die Kunstvermittler:innen dieser documenta erneut durch prekäre Arbeitsbedingungen belastet. Wo die Neukonzipierung der Kunstvermittlung begann, endete sie bereits. Den Verdruss illustrieren ein offener Brief [4 ] der organisierten sobat-sobat und eine darauf folgende Publikation. Der kollektiv entstandene Brief wurde am 04.08.2022 intern an das Management der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, die Abteilung Bildung und Vermittlung und das Artistic Team gesendet. Alexander Farenholtz, nach dem Rücktritt von Sabine Schormann Interimsgeschäftsführer der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, bot zwar Gespräche an, doch die Reaktion blieb unbefriedigend, bis heute gibt es keine Pressemitteilung der documenta zum offenen Brief der organisierten sobat-sobat. Wir sprachen mit Nick Schamborski, ehemalige:r sobat, über die Kunstvermittlung der documenta fifteen. Darüber, wie es zu dem offenen Brief kam, welche Umstände die Arbeit der Kunstvermittler:innen erschwerten und wie sich die Situation für kommende Ausstellungen tatsächlich verbessern könnte. Nick Schamborski ist Medienkünstler:in, Kurator:in und Kunstvermittler:in mit einem Fokus auf diskriminierungskritische Kulturarbeit und erwarb 2021 das Diplom in Freier Kunst an der Hochschule für Bildende Künste. Außerdem absolvierte Nick Schamborski während des Studiums die Zusatzqualifikation Kunstvermittlung, zu der auch das approporiate! Journal gehört. Vor dem Hintergrund unserer Gemeinsamkeiten im Studium interessierte uns besonders, welche Erfahrungen Nick Schamborski als Kunstvermittler:in auf der documenta fifteen gemacht hat. Nick Schamborski sieht die Aufgabe als Kunstvermittler:in darin, „kritische:r Freund:in einer Institution zu sein. Das bedeutet, dass man kritisch die Kunst begleitet und kritisch in den Diskurs tritt mit den Leuten, die da hinkommen und sich die Kunst angucken wollen.” Statt ein:e kritische:r Freund:in der Institution sollte ein:e sobat jedoch ein:e informative:r Begleiter:in durch die Ausstellung sein, so gibt es die documenta gGmbH vor. Die sobat-sobat wurden in ihrer Expertise nicht ernst genommen und sahen sich außerdem prekären Arbeitsbedingungen ausgesetzt, berichtet uns Nick Schamborski. „Wie ist es möglich, mit den Besucher:innen über die lumbung-Werte wie Großzügigkeit oder Transparenz zu sprechen, wenn wir gleichzeitig dermaßen ausgebeutet werden?“, fragt Nick Schamborski. Die documenta fifteen bot von Anfang an ein hohes aktivistisches Potenzial, denn „diese documenta wurde von Leuten geleitet, die selbst nicht institutionell denken, sondern eben diese Gedankenmuster hinterfragen“, so Nick Schamborski. Daher hatten sich unter den Kunstvermittler:innen viele beworben, die Interesse an einer kritischen Auseinandersetzung in ihrer Praxis hatten und schließlich in Eigeninitiative den Raum für kritische Diskurse öffneten, obwohl „der Raum eindeutig nicht dafür gedacht war“. Die lumbung-Werte wurden sich somit von den sobat-sobat angeeignet, um aufzubegehren. Neben Protestaktionen, wie dem Aufhängen ihrer Arbeitsshirts vor dem Fridericianum [5 ] oder der Einladung zum Gespräch über die eigenen Arbeitsbedingungen, wurde die Infrastruktur, beispielsweise die lumbung Press, genutzt, um die Publikation zu drucken, die „ein Weg und ein Werkzeug gewesen ist, um nicht nur aktiv zu sein, sondern auch die Gemeinschaft zusammenzubringen und über die documenta hinaus weiterlaufen zu lassen“, erzählt uns Nick Schamborski und erklärt, dass sich die Probleme, die für die sobat-sobat entstanden sind, differenzieren lassen zwischen inhaltlichen Schwierigkeiten und strukturellen institutionellen Schwierigkeiten. Inhaltlich seien sie nicht ausreichend vorbereitet worden auf Themen wie die Antisemitismusdebatte und Rassismus oder darauf, wie man sich verantwortungsbewusst mit der eigenen epistemischen Gewalt auseinandersetzt, also der Form von Gewalt, die mit unserem gelernten und angewendeten Wissen zusammenhängt. „Um künstlerische Positionen, die als ,aus dem globalen Süden‘ markiert wurden, zu vermitteln, brauchte es nicht nur weitaus mehr Bildung, sondern es besteht eine große Gefahr, koloniale und rassistische Gewalt zu reproduzieren und zu festigen.“ Strukturelle und organisatorische Schwierigkeiten seien unter anderem gewesen, dass die sobat-sobat durch den ihnen zugeteilten Veranstaltungspass zu spät Zugang zu den Veranstaltungsorten hatten, was ihre Vorbereitungsarbeit erschwerte. Dazu seien erhebliche Probleme mit dem Buchungssystem gekommen und unzureichende Zugänglichkeitskonzepte, mit denen die Kunstvermittler:innen allein gelassen wurden. „Dadurch kam es zu einer enormen psychischen Belastung, die unsichtbar gemacht wurde“, bedauert Nick Schamborski. Auf uns macht es den Eindruck, als sei der offene Brief der organisierten sobat-sobat aufgrund seiner Dringlichkeit unvermeidbar gewesen. Wenige Wochen vor dem Ende der documenta fifteen führte er zwar leider nicht mehr zu großen Veränderungen während der Laufzeit. Doch er bewirkte zumindest, „dass man nicht in Harmonie auseinandergeht, sondern diese Ungerechtigkeiten manifestiert wurden“, sagt Nick Schamborski. In erster Linie fordere der Brief aber die Anerkennung der Vermittlungsarbeit bei der documenta. Gleichzeitig strebe er eine langfristige Veränderung der ausbeuterischen Strukturen im Kulturbereich an. Ruangrupa ist es gelungen, die documenta fifteen auf eine Art und Weise zu kuratieren, die sich deutlich von allen vorhergegangenen documentas unterscheidet. Der Kunstvermittlung wurde das Loslösen von alten Mustern jedoch ungleich schwerer gemacht, sowohl in ihrer inhaltlichen Arbeit als auch in Bezug auf die strukturellen Rahmenbedingungen. Der offene Brief und die Publikation der sobat-sobat zeigen deutlich, dass sich die Arbeitsbedingungen für Kunstvermittler:innen der documenta kaum verbessert haben, noch immer sind die Umstände prekär, wie bereits seit vielen Jahren. Auf der letzten documenta hatte es innerhalb der Kunstvermittlung beispielsweise die kritische Gruppe doc14_workers [6 ] gegeben, die offen über ihre Arbeitsverhältnisse reflektierten und das Gespräch suchten. Doch auch schon auf der documenta 12 wurde über die schwierige Lage der Kunstvermittlung der documenta diskutiert, die einerseits kritische und unabhängige Arbeit leisten wollte, jedoch von der Geschäftsführung der documenta eindeutig in das Feld der Dienstleistung gerückt wurde, mit der Erwartung, betriebswirtschaftlich zu denken. [7 ] Wir wollten von Nick Schamborski wissen, was aus Nicks Perspektive tatsächlich zu einer Verbesserung der Situation für die Kunstvermittlung der nächsten documenta führen könnte. „Essenziell ist, dass die Kuration und die Vermittlung zusammengedacht werden und nicht auseinander. Die kuratorische Leitung müsste eine Möglichkeit bekommen, autonom eine Vermittlungsstrategie zu entwickeln, und diese muss personell direkt Teil des künstlerischen Teams sein, welches die documenta organisiert.“ Tatsächlich ist Susanne Hesse-Badibanga, die Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung der documenta fifteen, die unter anderem für die sobat-sobat zuständig ist, nicht von ruangrupa ausgewählt worden. Es wäre sinnvoll gewesen, hätte sich ruangrupa bewusst für die hier zuständige Person entscheiden können, da das Kollektiv die Vermittlung als Teil der ausgestellten Arbeiten versteht. Nicht nur im Kontext der documenta ist es ein Problem, wenn die Kunstvermittlung erst nachträglich konzipiert wird und nicht von Anfang an als Partner der Kuration mitgedacht wird. Das lässt sich leicht am Beispiel unzugänglicher Begleittexte erkennen, die häufig verfasst werden, ohne die wichtige Expertise der Kunstvermittler:innen einzubeziehen. Dass auch auf der documenta fifteen die Qualitäten von Kunstvermittler:innen nicht richtig anerkannt und aktiviert werden, berichtet Nick Schamborski: Während der Vorbereitungszeit auf die documenta fifteen nahmen die sobat-sobat an Workshops teil, die nur mangelhaft auf die kommende Ausstellung vorbereiteten. „Jede:r Vermittler:in bringt bestimmtes Wissen, Forschungen und Erfahrungen mit, diese Ressourcen wurden gar nicht erst gesehen. Hätte jede:r von uns selber einen Workshop gegeben, über kunstvermittlerische Theorien oder Praxis, wäre das vielfach nachhaltiger gewesen. Das ist ja das Problem, wenn von der Institution die Ressourcen und Potenziale gar nicht erkannt werden, die vorhanden sind. Eigentlich könnte daraus so viel entstehen und damit so viel bewegt werden.“ Bei der Frage danach, welche Rolle der Kunstvermittlung zugedacht wird, geht es nicht zuletzt darum, wer die Entscheidungsmacht über bestimmte Prozesse der Ausstellungskonzeption, -umsetzung und -begleitung innehat. „Sobald ein System primär auf Hierarchien aufgebaut ist, gibt es immer diesen Machtmissbrauch und den gab es dort in der Institution documenta die ganze Zeit“, sagt Nick Schamborski. „Es geht nicht darum, weniger Verantwortung zu übernehmen, sondern dass die Hierarchien abgebaut werden und gemeinschaftlich gearbeitet wird.“ Die Erfahrungen als sobat bestärkten Nick Schamborski darin, dass „das Resultat immer nur so viel wert ist wie die Prozesse, die dazu geführt haben.” Ein Prozess sollte gerecht, sichtbar und wertschätzend sein und genug Raum zugestanden bekommen, anderweitig lohne es sich nicht, für das Endprodukt zu arbeiten. [1] https://documenta-fifteen.de/glossar/ (Zugriff: 10.12.2022) [2] Im Glossar der documenta fifteen steht Folgendes: „lumbung ist die konkrete Praxis auf dem Weg zur documenta fifteen im Jahr 2022 und danach. Aus dem Indonesischen übersetzt bedeutet es ,Reisscheune‘. In indonesischen ländlichen Gemeinschaften wird die überschüssige Ernte in gemeinschaftlich genutzten Reisscheunen gelagert und zum Wohle der Gemeinschaft nach gemeinsam definierten Kriterien verteilt. Dieses Prinzip steht für die Lebens- und Arbeitspraxis von ruangrupa und wird für ein interdisziplinäres und gemeinschaftliches Arbeiten an künstlerischen Projekten genutzt.” [3] https://documenta-fifteen.de/kalender/ : beispielsweise ein Skateboardkurs der Mr. Wilson Skatehalle von Baan Noorg Collaborative Arts and Culture in der documenta Halle oder eine Open Kitchen von Gudskul im Fridericianum [4] https://sobatsobatorganized.files.wordpress.com/2022/08/open.letter.sobat-sobat.18.08.22.pdf (Zugriff: 10.12.2022) [5] https://www.hessenschau.de/kultur/documenta-beschaeftigte-in-kassel-protestieren-gegen-arbeitsbedingungen-v2,documenta-arbeitsbedingungen-100.html (Zugriff: 10.12.2022) [6] https://kw.uni-paderborn.de/en/kunst-musik-textil/nachricht/silogespraeche-doc14-workers-feeling-free-to-talk-about-working-conditions-1 (Zugriff: 10.12.2022) [7] https://www.kubi-online.de/artikel/glauben-mir-kein-wort-entwicklung-kunstvermittlung-zwischen-documenta-x-documenta-14 (Zugriff: 10.12.2022) Nick Schamborski ist Medienkünstler:in, Kurator:in und Kunstvermittler:in mit einem Fokus auf diskriminierungskritischer Kulturarbeit. Im letzten Jahr bekam Nick Schamborski den Bundespreis für Kunststudierende verliehen, kuratierte auf dem European Media Art Festival und arbeitete im Art-Education-Department auf der documenta fifteen in Kassel. Gleichzeitig schloss Nick Schamborski das Meister*inschüler*innenstudium bei dessen langjähriger Professorin Candice Breitz ab. Anna Darmstädter, geboren 1999 in Hannover, studiert Freie Kunst, ehemals bei Professor Nasan Tur und aktuell bei Professor Thomas Rentmeister an der HBK Braunschweig. Zusätzlich studiert sie Kunstvermittlung bei Prof. PhD Martin Krenn. Als gebürtige Clownin ist sie dem Absurden verfallen. Ihre Kunstvermittlung möchte demnach nicht einfach auflösen und erklären, sondern vielmehr das eigene Denken durch Ironie herausfordern, um so neue Perspektiven auf Kunst und den Kunstbetrieb einzunehmen. Julika Teubert, geboren 1995 in Berlin, ist sowohl Künstlerin als auch Kunstvermittlerin und studiert aktuell Freie Kunst bei der Professorin Isabel Nuño de Buen, sowie Kunstvermittlung bei Professor PhD Martin Krenn an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Sie ist Mitbegründerin des appropriate! – Journal zur Aneignung und Vermittlung von Kunst und arbeitet seit zwei Jahren als ständiges Redaktionsmitglied und Autorin an der Entwicklung und Umsetzung der bisherigen vier Ausgaben des Journals. 1 Anker 1 Anker 2 Anker 3 Anker 4 Anker 5 Anker 6 Anker 7

  • Natur als Versprechen? Pflanzen als skulpturale Elemente in der Architektur der Moderne und Gegenwart

    Artikel von Ursula Ströbele Iss ue 5│ Klimanotstand Anker 1 Natur als Versprechen? Pflanzen als skulpturale Elemente in der Architektur der Moderne und Gegenwart Ursula Ströbele 1 Charles Eisen, Allegorischer Stich der vitruvianischen Urhütte. Frontispiz zu Marc-Antoine Laugier, Essai sur l’Architecture, Paris: Chez Duchesne 1755 Credits: https://www.e-rara.ch/zut/doi/10.3931 /e-rara-128 2 Bruno Taut, Stiftskirche in Stuttgart, Innenraum , 1904, Pastell auf grauem Papier, AdK, BTA – 10 – 625 Credits: Taut, Bruno, 2007. Natur und Kunst. In: Bruno Taut: Ex Oriente Lux, Die Wirklichkeit einer Idee. Speidel, M., Mann Verlag: Berlin, S. 52 3 Giuseppe Franzoni, Kapitell mit Maiskolben , 1809, Säulenhalle des U.S. Kapitols Credits: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flickr_-_USCapitol_-_Corn_Capital_-_U.S._Capitol_Building.jpg ; Architect of the Capitol 4 C. A. Lebschée, Die Linde zu Peesten , 1850, Tonlithographie, in: Das Album Thurnau – Tafel XXXIII Credits: http://www.landschaftsmuseum.de/Seiten/Heimatpf/Album-Tafel_33.htm 5 Eileen Gray, E1027 , 1929 Credits: Foto: Manuel Bougot/Conservatoire du Littoral 6 Arthur Wichula, Ein Hochstand im Jagd-gebiet mit einer bequemen, gewachsenen Treppe Credits: Wichula, Arthur, 2012. Wachsende Häuser aus lebenden Bäumen entstehend (1926). Packpapier Verlag: Osnabrück, S. 75 7 Frank Llyod Wright, Fallingwater , 1935–1937, Pennsylvania Credits: Photo Courtesy of the Western Pennsylvania Conservancy. Fallingwater is located in Mill Run, Pa., 724.329.8501 8 Boeri Studio (Stefano Boeri, Gianandrea Barreca, Giovanni La Varra), Bosco Verticale , 2007–2014, Mailand Credits: Boeri Studio, https://www.stefano boeriarchitetti.net/en/project/vertical-forest/ 9 Stefano Boeri Architetti, Trudo Vertical Forest , 2017–2021, Eindhoven Credits: Boeri Studio, https://www.stefano boeriarchitetti.net/en/project/trudo-vertical-forest/ 10 Stefano Boeri Architetti, Trudo Vertical Forest , 2017–2021, Eindhoven Credits: Boeri Studio, https://www.stefano boeriarchitetti.net/en/project/trudo-vertical-forest/ 11 Ingenhoven architects, Kö-Bogen II , 2017–2020, Düsseldorf Credits: ingenhoven associates / HGEsch 12 Luciano Pia, 25 Verde , 2012/13, Turin Credits: Luciano Pia 13 Vincent Callebaut, Tao Zhu Yin Yuan/Agorá Garden , 2013–2018, Taipeh Credits: Yu tptw, https://commons.wikimedia . org /wiki/ File:Agora_Tower_20230309.jpg 14 Mass Studies, Ann Demeulemeester Shop , 2007, Seoul Credits: Yong-Kwan Kim 15 Patrick Blanc, Le mur végétal , 2012, Musée du Quai Branly, Paris Credits: Patrick Blanc 16 Patrick Blanc, Tinospora crispa an Edelstahlseilen , Le Nouvel Towers, 2016, Kuala Lumpur Credits: Patrick Blanc 17 BigRep, BANYAN Eco Wall , 2019, 2000 x 2000 x 600 mm, 4 Teile, BigRep Berliner Weisse Pur PETG, BigRep Black PRO HT Credits: BigRep. Team: Daniel Büning, BigRep CIO und NOWLAB Co-Founder Lead Designers – Mirek Claßen, Tobias Storz, Lindsay Lawson https://bigrep.com/posts/banyan-eco-wall/ 18 Friedensreich Hundertwasser, Hundertwasserhaus , 1983–1985, Löwengasse, Wien Credits: C.Stadler/Bwag; CC-BY-SA-4.0. 19 Anna Heringer, Desi Center , 2008, Rudrapur, Bangladesch Credits: Alexandra Grill I. Einführung – Topos der Urhütte Für seinen Essai sur l’Architecture (1755) wählte Marc-Antoine Laugier als Frontispiz eine allegorische Darstellung, die an die Vitruvianische Urhütte erinnert (Abb. 1)[1 ] : Die Personifikation der Architektur deutet auf vier quadratisch angeordnete Baumstämme, die durch horizontale Rundhölzer verbunden sind und eine Art Satteldach aus gegeneinandergestellten Ästen tragen. Die Grundstützen bestehen aus vier wachsenden Bäumen von gleicher Höhe, deren Baumkronen Mauerwerk ähnlich zur Dachstruktur beitragen. Scheinbar achtlos stützt sich die Personifikation auf Fragmente eines antiken Gebälks. Ihr Körper ruht auf einer umgekippten Säule; vor ihr liegen weitere, teils von Pflanzen überwucherte Bauelemente. Diese Ursprungsmythen aufrufende rurale Architektur gehört zu den prominentesten Beispielen einer bildlichen Auseinandersetzung mit der Urhütte. Mit der Allegorie Charles Eisens wird unsere Aufmerksamkeit auf diesen, dem Material und Formenrepertoire der Natur abgeleiteten Urtypus jeglicher Baukunst gerichtet, der als Grundlage vergangener und zukünftiger stilistischer Entwicklungen dient – wie die Wurzeln der Bäume fest im Fundament der Geschichte verankert. II. Die Hängenden Gärten Babylons, Baumsäulen und Tanzlinden als Vorläufer grüner Baukunst Dieser Stich zeigt die enge Verwobenheit von Natur und Architektur, d. h. Architektur als Mimesis von Naturstrukturen. In Anlehnung an meinen Vortrag auf der Tagung Kunst im Klimanotstand an der HBK Braunschweig im Dezember 2023 möchte ich in meinem Text einige Überlegungen zur grünen Architektur bzw. Hortitecture (Grüntuch-Ernst 2018) vorstellen. Dabei interessiert mich, inwiefern Pflanzen als Bauplastik, d. h. als gestalterisch gliederndes Element und Ornament, in der Architektur der Gegenwart dienen und welche historische Rückbindung relevant ist. Der Fokus liegt auf Gebäuden mit fassadengebundener Begrünung. Gefragt wird, ob der Begriff der Spolie gewinnbringend zu erweitern ist und wie sich das Verhältnis von Innen und Außen ändert, dabei zum porösen Habitat wird, erweiterte Konvivialität im Sinne eines Zusammenlebens mit nicht menschlichen Akteuren bietet. Der Topos der Urhütte ist nur ein Beispiel, das den Ursprung der Architektur aus der Natur heraus erklärt und die Baumsäule zum weitreichenden Phänomen macht. Auch das gotische Gewölbe der Kathedralen gilt von Raffaels Denkmalsbrief bis zu Sir John Soane (1752–1837) als Stil, der seinen Ursprung in verzweigten Baumkronen habe, entstanden aus ungefällten Bäumen, deren zusammengebogene Äste Spitzbogen ergaben. Chateaubriand (1768–1848) vergleicht in einer literarischen Metapher die Türme mit Bäumen und den Klang der Orgel mit dem Rauschen des Windes; Huysmans erblickt im Wald die Kathedrale und Bruno Taut (1880–1938) greift in Natur und Baukunst (1904) auf diesen Vergleich erneut zurück (Abb. 2) (Taut 1904/2007: 50–52; Weiß 2015: 162–166). Während die Vegetabilisierung am Teehaus in Sanssouci zu künstlichen, palmenartigen Stützen und am Kapitol in Washington zu Kapitellen mit den identitätsstiftenden Attributen Tabakblätter und Maispflanzen (Abb. 3) führt, vereinen die Tanzlinden als soziokulturelles und baugeschichtliches Phänomen beides: menschlich gezogene Bäume verzahnt mit einer gebauten Substruktion (Abb. 4) und Spalieren als Podest für Volksfeste. Der Baumpavillon ist von einer externen Treppe zu begehen und kann phantastische Auswüchse annehmen, wie im schlesischen Ratibor (heute Polen)[2 ]. Zu den mythischen Vorläufern grüner Architektur zählen die Hängenden Gärten Babylons, die Frank Maier-Solgk zufolge als kulturhistorischer Topos „zum Synonym von Gebäudegrün überhaupt wurde[n]“ (Maier-Solgk 2020: 167) – ein Bauwerk mit Bewässerungsanlage auf einer architektonischen Konstruktion, zugeschrieben Nebukadnezar II., ca. 570 v. Chr., oder der sagenhaften Königin Semiramis (Schweizer 2020: 29–30). Die moderne Weiterentwicklung von Flachdach und Dachgarten gelang durch technische Voraussetzungen, mit eisen- und stahlbewehrtem Beton. III. Hortitecture avant la lettre in der Moderne Le Corbusier versieht seine Unités d’Habitation mit Flachdächern und spricht sich für Dachgärten bzw. -terrassen aus, begründet dies gebäudetechnisch als Kompensation für die versiegelte Fläche und als Schutz des Eisenbetons vor schwankenden Außentemperaturen sowie sozialgesellschaftlich im Sinne einer Konvivialität der Bewohner:innen. Auch Eileen Gray stattet ihre Wohnhäuser E.1027 (1926–29) (Abb. 5) im südfranzösischen Roquebrune-Cap-Martin und Tempe a Pailla (1932–34) im benachbarten Castellar mit Dachterrassen aus, setzt sich aber in ihrer sensualistisch körperbezogenen Auffassung des Hauses als „shell of man“ von der rationalistisch-funktionalen Wohnmaschine des Neuen Bauens ab (Gray zit. n. Adam 1987: 309). Arthur Wiechula („Naturbauingenieur“) (Abb. 6) konzipiert im Berlin der 1920er-Jahre seine wachsenden Häuser aus topiarisch geformten Bäumen (Wiechula 1926/2012). Terrassenhäuser sind seit langem aus wärmeren Klimaregionen bekannt. Für Fallingwater (1935–1937) reagiert Frank Lloyd Wright (Abb. 7) auf die ortsspezifische hangartige Topografie.[ 3 ] Die freitragenden, umlaufenden Terrassen aus Stahlbeton, die Pflanzenbewuchs nur in einzelnen Beeten aufweisen, sind (inzwischen) von Baumkronen umgeben, wodurch die Verbindung von Landschaft und Baukörper unterstrichen wird. Optisch ergibt sich eine horizontale Schichtung aus den hellen Betonbrüstungen der auskragenden Terrassen – teils durchbrochen von einem Baum – auf zwei Geschossen und den rötlich-braunen Steinquadern des zentralen Kubus, unterbrochen durch große Fensterflächen. Diese buchstäbliche Verankerung des Gebäudes mit dem Boden „to grow from its site“ über Material und Topografie bezeichnet Wright als „organic“/„natural“/ „integrated“ (Wright zit. n. Reynolds 2011: 254). Dorte Mandrups parabolische Walbeobachtungsstation an der Küste Norwegens greift das auf. Das organische Design der dänischen Architektin soll in Kürze fertiggestellt werden und erhebt sich wie ein Hügel am felsigen Ufer. Das Dach ist mit Steinen bedeckt, die mit der Zeit eine Patina aufweisen, der Übergang mit Moosen gestaltet.[4 ] Bis heute werden Pflanzen an Gebäuden auch als Hindernis für die tektonische Konstruktion gewertet – bei Fallingwater das Problem der Feuchtigkeit. Doch manifestiert sich seit den letzten 20 Jahren eine neue Popularität der Gebäudebegrünung, wobei Natur als unentbehrlicher Bestandteil einer sozialgesellschaftlichen Verantwortung von Architektur in den globalen Metropolen gilt. Zu fragen ist, ob die aktuelle Wohnraum(nach)verdichtung und daraus folgende vertikale Bauweise dazu führt, dass Grünflächen wie Innenhofgarten, Terrasse oder Loggia an die Fassade oder aufs Dach wandern – zugunsten von verbessertem Mikroklima, Luftfilterung und Biodiversität. Die Fassade avanciert zur atmenden Membran und grünen Lunge. IV. Naturspolien als Authentizitätsversprechen im Bosco Verticale Das Stadtbild von Mailand prägen die beiden Apartmenttürme Bosco Verticale Stefano Boeris, Gianandrea Barrecas und Giovanni La Varras mit der Botanikerin Laura Gatti, die in dieser männlichen Riege selten explizit genannt wird (Abb. 8) (Kietzmann 2014). Gegeneinander versetzte, terrassierte Auskragungen tragen Pflanzenbewuchs – farblich im Verlauf der Jahreszeiten choreografiert. Bemerkenswert ist, dass dieses zu den Ikonen grüner Architektur gehörende Gebäudeensemble zwar vielfach diskutiert wird, der Fokus aber auf den botanischen Herausforderungen liegt, auf der Attraktion der Superlative, da jeder Turm mit ca. 7000 m2 bis 1 Hektar Wald vergleichbar sei sowie rund 730 Bäume und 20.000 Pflanzen beheimate (Kietzmann 2014). Boeri proklamiert eine „non-anthropized urban ethics“, d. h., „where humanity is no longer alone on the pedestal of life“ (Boeri 2016: 59–60). Trotz dieses posthumanistischen Anspruchs bleiben seine Gebäude menschliche Behausungen, wirken Flora und Fauna wie schmückendes Beiwerk. Bau- und materialtechnische Informationen zur Mailänder Version sind nur indirekt zugänglich, sodass sich die Frage nach der Tragfähigkeit seines Anspruchs auf Nachhaltigkeit stellt. Auf der Website von Cotto d’Este erfährt man, dass die Außenverkleidung der hinterlüfteten Fassade aus 1,4 cm dicken Keramikplatten besteht, die eigens entwickelt wurden (Blackstone ) und die aus Stahlbeton gegossenen Balkone ummanteln.[5 ] Der womöglich im Pionierprojekt noch sekundär behandelte CO2-Abdruck mag einer der Gründe sein, weshalb die Kommunikation nicht so transparent erfolgt wie beim Nachfolgebau Trudo Vertical Forest in Eindhoven (2017–2021) (Abb. 9), der beweisen soll, dass vergleichbare architektonische Konzepte für den sozialen Wohnungsbau geeignet sind.[6 ] Vorgegossene Betonplatten ermöglichten eine reduzierte Bauzeit und Kosteneinsparung. Während die Wohnungen des Bosco Verticale in Privatbesitz sind, gehört das architektonische Grün zum Baukörper und unterliegt gemeinschaftlicher Pflege. Wasserstand und Bodenqualität werden von Sensoren gemessen. Aufgrund der zunehmenden Windstärke in der Höhe sind die Bäume mit Stahlträgern gesichert (Abb. 10) – „Natur“ als Versatzstück, architektonisch in kubenartigen Behältnissen eingerahmt. Die Bäume des „vertikalen Waldes“ üben wie noch bei der Urhütte keine tragende Funktion mehr aus, sondern agieren – im übertragenen Sinne zierender Bauplastik – ähnlich als verlebendigte Baumsäulen. Auch in den Innenräumen der „Neuen Sachlichkeit“ werden „wie Skulpturen platzierte[n] singuläre[n] Pflanzen“, insbesondere die Monstera deliciosa und der Ficus elastica , an einem ihnen eigens zugestandenen Ort exponiert (Tietenberg 2023: 110). Monika Wagner bezeichnet die Implementierung von Naturstoffen im White Cube und öffentlichen Raum, isolierte, exotische Bäume wie Palme und Ficus, collageartige Grasmatten oder künstliche Wasserfälle in den Plazas von Manhattan und Einkaufsmalls als „Naturspolien“ (Wagner 1996). Sie werden wie Preziosen präsentiert zugunsten städtebaulicher „Aufmöbelung“ (gentrification ) (Wagner 1996: 27). Auch auf Hortitecture wie Boeris Bauten ließe sich meines Erachtens dieses Modell Wagners einer „De-Plazierung von Natur und ihre spolienartige Neumontage“ (Wagner 1996: 36) erweiternd übertragen. Der Entwurzelung haftet das Fremde, Ungewohnte an. Spolien dienten seit der Antike als Beutegut in Form von baulichen Fragmenten, Kunstwerken und Dekorelementen. Spolium bedeutet „Raub“, „dem Feind Abgenommenes“, das assemblageartig in einen neuen Kontext versetzt, seiner ursprünglichen „Funktionalität“ entrissen wird, bedingt durch die Translokation eine semantische Erweiterung erfährt. Wagner betont den damit verbundenen gehobenen Lifestyle, der Exklusion mit sich bringe und das Paradox einer demokratischen, frei zugänglichen Natur formuliere. Auch bei vielen grünen architektonischen Prestigeprojekten lässt sich nicht, so könnte man ergänzen, von einer realen Symbiose von Kunst und Natur sprechen, die zu einer allgemeinen Erreichbarkeit von Natur führt. Jedoch repräsentieren Spolien neben der ihnen entgegengebrachten Nobilitierung als „Aufmerksamkeitserreger“ sowie im Zuge aktueller Recycling-Ansätze eine „Ressourcenschonung“ und ein „Authentizitätsversprechen“, wie Hans-Rudolf Meier baugeschichtlich erörtert (Maier 2020: 207f., 213). Die Rückversicherung einer Ersten Natur ist in dieser (domestizierten) Dritten Natur als organische Fassadengestaltung evident. Natur scheint keiner Erklärung zu bedürfen, weil sie, ideologisch betrachtet, oftmals immer noch als ursprünglich, zugänglich und vertraut gilt. Während Wagner Mitte der 1990er-Jahre „das vermehrte Auftreten von Naturspolien“ in Form global einheitlicher Stadtbepflanzung noch „keineswegs als Indiz einer Renaturalisierung der Stadtzentren“ deutet (Wagner 2013: 134), ist 25 Jahre später ein Gegentrend lokal spezifischer Bepflanzung zu verzeichnen. Auch Boeri spricht von einer „new idea of localism“ (Boeri zit. n. Lootsma 2000: 23). Ingenhoven architects verwenden beispielsweise in ihrem Düsseldorfer Kö-Bogen II ein lokales Gewächs (Abb. 11), namentlich die Hainbuche, die als Hecke jedoch in Aluminiumträgern wächst – kein besonders nachhaltiges Material.[7 ] V. Farmscrapers und Green Walls Doch erfordern klimaresiliente Naturspolien auch die Züchtung neuer Spezies und erlauben das Auftreten landwirtschaftlicher Nutzpflanzen im Urban Gardening . Der seit der Industrialisierung beklagte Verlust intakter Flora und Fauna, der in Megacitys und kontaminierten Landschaften gipfelt, brachte einen Vertrauensverlust in die bildliche Repräsentation mit sich. Eine rein bildliche Repräsentation , wie die floral verzierte Fassade des Wiener Secessionsgebäudes, reicht nun nicht mehr, sondern verlangt die spolienartige Integration von Pflanzen als baugestalterisches Element in der Hoffnung auf Optimierungen im Raumklima. Luciano Pia vereint in seinem noch vor dem Bosco Verticale fertiggestellten Turiner 25 Verde (Abb. 12) beides: Bäume in fassadengebundenen Töpfen und Stahlträger in Baum-Optik. Vincent Callebaut wiederum konzipiert sogenannte Farmscrapers mit Wasseraufbereitungsanlagen und hausinterner Energieversorgung. Seinen Ansatz kennzeichnet eine futuristische, organisch-fluide, japanischen Animationsfilmen entlehnte Formensprache, darunter Agorá Garden (2017) in Taipeh (Abb. 13). Die 20 Stockwerke sind wie eine Doppelhelix so gedreht, dass jede Etage viel Sonnenlicht bekommt und deutlich mehr Bäume gepflanzt werden können. Die Naturspolien der balkonreichen Fassade fungieren als Urban Farming -Parzellen. Das Rendering zeigt hier die ornamentale Funktion von Pflanzen und impliziert eine eigene bildtypologische Herausforderung. Während bei den bisherigen Gebäuden die organische Fassadenstruktur durch Terrassierung, auskragende Balkone und kaskadenförmige Freiluftgärten gewährleistet wird, daher Assoziationen an klassische Bauplastik hervorruft, schmiegt sich ein grüner Wandteppich des Ann Demeulemeester Shops in Seoul (Abb. 14) eng an den Baukörper, zieht sich sogar bis ins Innere (Mass Studies 2007). Patrick Blancs Murs Végétaux (Abb. 15) charakterisieren eine vegetabile Vielfalt und können Gebäude auch nachträglich verzieren.[8 ] Neben seiner Living Facade (Nordseite) am Pariser Musée du Quai Branly (2006) arbeitete er bis 2016 mit Jean Nouvel an einem Gebäude in Kuala Lumpur (Abb. 16), dessen Fassade er mit unterschiedlichen Weinreben bekleidete. Doch als eigentlicher Erfinder der Green Wall mit Hydroponik gilt Stanley Hart White von der University of Illinois, Urbana-Champaign, der 1938 ein Patent anmeldete (vgl. Hindle 2012). Seine modularen „botanical bricks“ verstand er als gebaute, ornamentale Elemente, die kostengünstig, zügig und flexibel architektonische „Schandflecke“ kaschieren. Heute ermöglicht der 3D-Druck Fassadenelemente aus recyceltem Material als Träger künstlicher Ökosysteme mit Pflanzen- und Insektenhabitat (Abb. 17). VI. Schlussbemerkung Vegetabile Fassaden agieren wie eine schützende Mauer, die Blicke ebenso abhält wie Lärm- und Luftverschmutzung. Anstatt konturierter Stasis präsentieren diese Gebäude in ihrer Ästhetik des Transitorischen eine veränderliche, wachsende Silhouette mit jahreszeiten- und witterungsbedingter Zeitlichkeit. Ein Kritikpunkt könnte „Fassadismus“ sein, der Hundertwasser (Abb. 18) vorgeworfen wurde und das vorrangige Interesse an Oberflächengestaltung bezeichnet. Bei vielen preisgekrönten Bauten drängt sich die Frage auf, ob sie mit ihren über die Fassade verteilten Naturspolien das damit verbundene Authentizitätsversprechen und eine Nobilitierung durch ökologische Aufwertung einzuhalten vermögen. Oder verläuft dieses Versprechen eines Rückgriffs auf die Erste Natur bzw. deren transmutierte Form eher in einem illustrativen Green Washing ? Spolien dienen der Milderung des Bruchs zwischen Alt und Neu (Maier 2013: 338), sodass in der Hortitecture „Neues Bauen“ im Sinne stadtplanerischer und gebäudetechnischer Erneuerung zugunsten über den Menschen hinausgehender Konvivialität verlangt ist. Der Verlust des Vertrauens in die bildliche Repräsentation verlangt die spolienartige Integration von Pflanzen als baugestalterisches Element. Ob dies im Rückgriff auf tradierte Bautechniken, wie bei Anna Heringers Lehmbau in Rudrapur, Bangladesch (2008) (Abb. 19) oder Cynthia und John Hardys an die Urhütte erinnernden Green School aus Bambus in Bali (2008), erfolgen muss, gilt es weiter zu erforschen. Literatur Adam, Peter, 1987. Eileen Gray Architect/Designer. New York Boeri, Stefano, 2016. Towards a Forest City. In: Antony Wood, David Malott, Jingtang He (Hrsg.), Cities to Megacities: Shaping Dense Vertical Urbanism. A Collection of State-of-the-Art, Multi-Disciplinary Papers on Urban Design, Sustainable Cities, and Tall Buildings, (1), Proeceedings of the CTBUH 2016 International Conferences, Shenzhen, Guangzhou, Hong Kong, China, Council on Tall Buildings and Urban Habitat: Chicago, S. 59–66. https://global.ctbuh.org/resources/papers/download/2861-towards-a-forest-city.pdf (abgerufen am 06.01.2024) Grüntuch-Ernst, Almut / IDAS Institute for Design and Architectural Strategies (Hrsg.), 2018. The Power of Architecture and Plants. Berlin: Jovis Hindle, Richard L., 2012. A vertical garden: origins of the vegetation-bearing architectonic structure and system (1938). In: Studies in the history of gardens & designed landscapes. An International Quarterly, 32 (2), 99–110. https://escholarship.org/uc/item/62m5k813 (abgerufen am 05.01.2024) Kietzmann, Norman, 2014. Bosco Verticale gewinnt internationalen Hochhauspreis. In: G + L: Garten + Landschaft, 25.11.2014. https://www.garten-landschaft.de/bosco-verticale-gewinnt-internationalen-hochhauspreis/ (abgerufen am 06.01.2024) Laugier, Marc-Antoine, 1755. Essai sur l’Architecture. Paris: Chez Duchesne. https://www.e-rara.ch/zut/doi/10.3931/e-rara-128 (abgerufen am 27.01.2024) Lootsma, Bart, 2000. From above the tumult – under the paving stones, the beach. In: Stefano Boeri, 2G (62), 18–25 Maier, Hans-Rudolf, 2013. Rückführungen. Spolien in der zeitgenössischen Architektur. In: Stefan Altekamp, Carmen Marcks-Jakobs, Peter Seiler (Hrsg.), Perspektiven der Spolienforschung 1: Spoliierung und Transposition, S. 333 –350. Berlin: de Gruyter Maier, Hans-Rudolf, 2020. Spolien: Phänomene der Wiederverwendung in der Architektur. Berlin: Jovis Maier-Solgk, Frank 2020. Von den Hängenden Gärten zur Zeitgenössischen Hortitecture. In: Stefan Schweizer (Hrsg.), Die Hängenden Gärten von Babylon: Vom Weltwunder zur grünen Architektur, S. 161–191. Berlin: Wagenbach Reynolds, John M., 2011. Falling Water: Integrated Architecture’s Modern Legacy and Sustainable Prospect. In: Lynda Waggoner (Hrsg.), Fallingwater, S. 244–259. New York: Rizzoli International Publications Schweizer, Stefan, 2020. Die Hängenden Gärten von Babylon: Vom Weltwunder zur grünen Architektur. Berlin: Wagenbach Taut, Bruno, 1904/2007. Natur und Kunst. In: Manfred Speidel (Hrsg.), Bruno Taut: Ex Oriente Lux, Die Wirklichkeit einer Idee, S. 50–52. Berlin: Gebr. Mann Verlag Tietenberg, Annette, 2023. Wo das Domestizierte und das Domestische sich begegnen: Monstera Delicisiosa und Ficus Elastica als Komponenten des Wohnens in der ‚Neuen Sachlichkeit‘. In: Irene Nierhaus, Kathrin Heinz (Hrsg.), Ästhetische Ordnungen und Politiken des Wohnens. Häusliches und Domestisches in der visuellen Moderne, S. 91–113. Bielefeld: transcript Wagner, Monika, 1996. Gras, Steine, Erde. Naturspolien in der zeitgenössischen Kunst. In: Museumskunde 61 (1), 26–36 Wagner, Monika, 2013. Das Material der Kunst. Eine andere Geschichte der Moderne. 2. Auflage der broschierten Sonderausgabe. München: C.H. Beck Weiß, Heiko, 2015. Die Baumsäule in Architekturtheorie und -praxis, von Alberti bis Hans Hollein. Petersberg: Imhof Wiechula, Arthur, 1926/2012. Wachsende Häuser aus lebenden Bäumen entstehend. Osnabrück: Packpapier Verlag CV Ursula Ströbele ist Professorin für Kunstwissenschaft mit Schwerpunkt Kunst der Gegenwart an der HBK Braunschweig. 2019–2023 leitete sie das Studienzentrum zur Kunst der Moderne und Gegenwart am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München. Sie promovierte an der HHU Düsseldorf zu den Bildhaueraufnahmestücken der Pariser Akademie (1700–1730). 2020 wurde sie mit einer Arbeit zur skulpturalen Ästhetik des Lebendigen (Hans Haacke, Pierre Huyghe) habilitiert. Forschungsschwerpunkte: digitale, zeitbasierte Phänomene des Skulpturalen, Kunst und (queere) Ökologien, Que(e)rschnittsgeschichte der Skulptur des 20. Jahrhunderts, Infrastrukturen der Moderne. [1] Vitruv verknüpft die bei sogenannten „primitiven Völkern“ vorkommende Bauweise eines einräumigen Hauses (Tugurium) mit den Anfängen der Technik und Baukunst, denn auch die Casa Romuli des römischen Stadtgründers sei eine einfache Strohhütte gewesen (Vitruv, De Architectura, II, 1., u. a. 6–17). [2] Vgl. http://www.tanzlinde-peesten.de , https://tanzlindenmuseum.de/tanzlinde/ (abgerufen am 05.01.2024). [3] Vgl. https://fallingwater.org (abgerufen am 05.01.2024). [4] Vgl. https://dortemandrup.dk/work/whale-norway (abgerufen am 05.01.2024). [5] Vgl. https://www.cottodeste.de/projekte/vertical-forest (abgerufen 05.01.2024). [6] Vgl. https://www.stefanoboeriarchitetti.net/en/news/casa-bosco/ (abgerufen 05.01.2024). [7] Vgl. https://www.ingenhovenarchitects.com/projekte/weitere-projekte/koe-bogen-ii-duesseldorf/description (abgerufen am 05.01.2024). [8] Vgl. https://www.verticalgardenpatrickblanc.com/realisations/kuala-lumpur/le-nouvel-kuala-lumpur (abgerufen am 05.01.2024). 01 02 03 04 05 06 07 08

  • Kunstawards im Machtgefüge – Exklusionen nach Geschlecht und Herkunft | Issue 4 | appropriate!

    Johanna Franke, Katrin Hassler Iss ue 4│ Machtverhalten Anker 1 Kunstawards im Machtgefüge – Exklusionen nach Geschlecht und Herkunft Johanna Franke, Katrin Hassler Geographische Herkunft der Preisträger:innen nach Region und Geschlecht (Quelle: Franke, Johanna, 2022, Abbildung 5) Herkunftsländer der Preisträger:innen seit 2006 (Quelle: Franke, Johanna, 2022, Abbildung 6) „Girls run the world. That’s arguably especially true in the art world“. [1 ] Dieses Zitat des Kunstkritikers Brian Boucher ist eine gewagte These. Denn die Aussage steht im Widerspruch zu zahlreichen Aktivismen, die auf die persistenten Geschlechterasymmetrien im Kunstfeld aufmerksam machen – „Art and Feminism“, „Feminist Art Coalition“ oder auch „Mehr Mütter für die Kunst“ [2 ], um nur einige zu nennen. Boucher beruft sich hier auf die große Anzahl mächtiger und einflussreicher Kunstberaterinnen, Spezialistinnen in Auktionshäusern und Galeristinnen, die im internationalen Feld agieren [3 ]; wenngleich die Betitelung professioneller Kunstakteurinnen mit „Mädchen“ von einem eher geringen gendertheoretischen Reflexionsvermögen zeugt. Diskussionen um geschlechtsabhängige Machtverhältnisse im Kunstfeld erlangten in den vergangenen Jahren regelmäßig Aufmerksamkeit, in den Wissenschaften wie in den populären Medien gleichermaßen. Im Art Basel Report ist die Analyse von Geschlechterdifferenzen auf dem Kunstmarkt seit mehreren Jahren fester Bestandteil. [4 ] Bereits in den 1970er-Jahren diskutierte Linda Nochlin Machtstrukturen im Kunstfeld anhand von Genderkonfigurationen und der Exklusion von Frauen aus der Kunstgeschichte. Autonome Tätigkeiten werden, so die Kunsthistorikerin, von Individuen beeinflusst – die Qualität des Kunstwerks hängt von sozialen Strukturen ab. Nochlin verweist dabei auf den Ausschluss von Künstlerinnen von Kunsthochschulen und verdeutlicht, inwiefern die Tätigkeit kunstschaffender Frauen per se als dilettantisch abgehandelt wurde. [5 ] Unstrittig ist: Auch nach 50 Jahren Aktivismus und kunsthistorischem Genderdiskurs bestehen Machtstrukturen fort, die einen genderspezifischen Ausschluss von Künstlerinnen begünstigen. Sie finden sich in diversen Ausprägungen, abhängig von Akteurskonstellationen, Reputation oder auch der historischen Genese des jeweiligen Bereiches des Kunstfelds. [6 ] Inwiefern genderspezifische Machtkonstellationen auch in einer intersektionalen Verschränkung die Verleihung von Kunstawards prägen, verdeutlicht die folgende Darlegung des National Museum of Women in the Arts: „Only 29% of the winners of the Turner Prize, one of the best-known visual art awards, have been women—though several women have won over the past decade. In 2017, Lubaina Himid became the first woman of color to win.” [7 ] Bislang in der Forschung wenig beachtet zeigen sich Kunstpreise als aufschlussreicher Untersuchungsgegenstand bei der Analyse von Geschlechterasymmetrien im Feld der Kunst. Denn nicht zuletzt können solche von Museen verliehenen Preise als wirkmächtige Konsekrationsinstrumente in der Formung von Künstler:innenkarrieren begriffen werden. So lassen sich im Folgenden mittels einer Gegenüberstellung von drei renommierten Kunstpreisen deutscher Museen [8 ] – Wolfgang-Hahn-Preis (1994–2022), Preis der Nationalgalerie (2000–2021) und Kurt-Schwitters-Preis (1996–2022) – strukturelle Exklusionen im Feld veranschaulichen. Die Verleihung der Preise von 1994 bis 2022 weist interessanterweise eine ähnliche Relation auf, wie sie auch beim Turner Prize beobachtet wurde: Von 45 prämierten Künstler:innen waren 14 weiblich, woraus sich ein Künstlerinnenanteil von 33% ergibt. [9 ] Als machtvolles, strukturierendes Merkmal bei der Verleihung der Preise erwies sich neben dem männlichen Geschlecht des Weiteren eine Herkunft aus Staaten des globalen Nordwestens, wie aus Tabelle 1 hervorgeht. Weniger als ein Fünftel aller Preisträger:innen stammt aus einer nicht nordwestlichen Region der Welt. [10 ] Durchschnittlich weisen 68% der Preisträger:innen beide Merkmale auf – sie sind männlich und stammen aus den genannten Regionen. Auch eine Differenzierung nach Geschlecht bei der Gegenüberstellung der Künstler:innen mit nicht nordwestlicher Herkunft verdeutlicht eine Genderasymmetrie der ausgezeichneten Künstler:innen: Während im Durchschnitt 34% der Künstlerinnen entweder aus dem Südwesten (19%), Nordosten (10%) oder Südosten (5%) stammen, weichen die Werte bei ihren männlichen Kollegen deutlich ab. Letztere weisen zu 9% eine nicht nordwestliche Herkunft auf, 6% stammen aus dem Südwesten sowie 3% aus dem Südosten. Im Vergleich dazu stammen je nach Fallbeispiel 80% bis 100% der Künstler aus einer nordwestlichen Region, während es bei Künstlerinnen zwischen 43% und 80% sind. Wie lässt sich dieses Phänomen – immerhin eine Differenz von knapp 40 Prozentpunkten zwischen Künstlerinnen und Künstlern – erklären? Als aufschlussreich erweist sich diesbezüglich eine Untersuchung der Reputation der einzelnen Preise. Vergleicht man diverse Indikatoren wie die Position der jeweiligen Museen im Kunstfeld, das mit der Auszeichnung verbundene Preisgeld oder auch zusätzliche Konditionen wie eine mit dem Award verbundene Einzelausstellung oder eine Publikation, ergibt sich ein durchaus interessantes Bild: Das Museum mit dem höchsten Wert an nicht nordwestlichen Künstlerinnen (Preis der Nationalgalerie) ist zugleich mit dem geringsten Kapital sowie der geringsten Reputation ausgestattet. Daraus lässt sich schließen, dass Künstlerinnen nicht nordwestlicher Herkunft – vor allem aber bei einem Zusammenkommen beider Strukturmerkmale – laut der Daten eher dann mit einem Award ausgezeichnet werden, wenn dieser mit einer geringeren Reputation verbunden ist. Demzufolge erzielen Frauen insbesondere dann Präsenz im Kunstfeld mittels einer Auszeichnung, wenn der Reputationsgewinn vergleichsweise gering ist. Diese Beobachtungen verdeutlichen, dass Künstlerinnen dann eine höhere Chance auf globalen Erfolg haben, wenn sie nicht aus an kunstfeldbezogenen Ressourcen reichen Ländern stammen. Hier erweist sich ein Blick in den Global Gender Gap Report als hilfreich, der den weltweiten Gender Gap der Geschlechter analysiert. [11 ] Tabelle 2 zeigt eine an den Report angelehnte Berechnung des Mittelwerts des Rangs bzw. des dazugehörigen Scores der Herkunftsländer der Künstler:innen in den jeweiligen Verleihungszeiträumen. Für die Künstlerinnen ergibt sich ein durchschnittlicher Rang von 52 und ein Score von 0,714, für die Künstler ein durchschnittlicher Rang von 27 sowie ein Score von 0,786. [12 ] Der im Gegensatz zu den Künstlern niedrige Rang der Herkunftsländer der Künstlerinnen wird besonders durch die als prekär eingestufte Lage in Brasilien, der Demokratischen Republik Kongo, Mexiko, Pakistan und der Republik Korea beeinflusst, während aufseiten der männlichen Künstler nur in China ein großer Gender Gap vorzufinden ist. Dagegen beeinflussen die oberen Ränge von Dänemark, Deutschland, Kanada und der Schweiz den relativ guten bis durchschnittlichen Rang. Aus der Ranganalyse des Global Gender Gap Report lässt sich schließen, dass Erfolg im Kunstfeld für Frauen eher dann möglich ist, wenn die Profession als Künstler:in in ihrem Heimatland mit verhältnismäßig wenig gesellschaftlicher Reputation verbunden ist sowie mit vergleichsweise weniger symbolischem Kapital behaftet. [13 ] Betrachtet man darüber hinaus die Aufenthaltsorte von Künstler:innen, fällt auf, dass diejenigen, die nicht aus dem globalen Nordwesten stammen, sich meist dennoch in westlichen Kunstzentren aufhalten, um in jenen Ländern Anerkennung und Reputation zu erhalten. Ein Brain-Drain-Muster zwischen der Abwanderung aus der Peripherie ins Zentrum eröffnet demnach ein weiteres Spannungsverhältnis im Kunstfeld. Künstler:innen sollten sich in nordwestlichen Regionen und Kunstmetropolen aufhalten, um am Kunstgeschehen teilnehmen zu können. [14 ] Zusammenfassend kann durch die Auswertung der empirischen Daten zwar bewiesen werden, dass Künstlerinnen im Laufe der Zeit häufiger ein Award gewidmet wurde als zu Beginn des Verleihungszeitraums. Diese zunächst positive Entwicklung muss gleichwohl aus einer intersektionalen Perspektive neu gefasst werden: Die Herkunft aus einem westlichen Kunstfeld ist nach wie vor zentral für die Erlangung von Reputation. Diese Vormachtstellung des Westens bildet zusammen mit dem nach wie vor wirksamen Konzept des männlichen Künstlergenies die zentrale Machtkonstellation des Feldes. Diese Mechanismen, die nur zu gern einer Verschleierung unterliegen, sollten sensibel und mit einem geschärften Blick analysiert und in den Fokus gerückt werden – so positiv die verstärkte Inklusion von Künstlerinnen in die Reputationsmechanismen des Feldes bei der Verleihung von Kunstawards auch ist. Literatur Boucher, Brian, 2015. 25 Women Curators Shaking Things Up. In: ArtnetNews, March 17, 2015. Buchholz, Larissa/Wuggenig, Ulf, 2005. Cultural globalization between myth and reality: The case of the contemporary visual arts. In: ART-e-Fact: Strategies of Resistance, an online magazine for contemporary art & culture: Omnimedia D.O.O. Zagreb. Nach: Galtung, Johan, 2000. Globale Migration. In: Butterwege, Christoph/Hentges, Gudrun (Hg.), 2000. Zuwanderung im Zeichen der Globalisierung. Opladen: Westdeutscher Verlag. Dressel, Kathrin/Wanger, Susanne, 2004. Erwerbsarbeit: Zur Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hg.), 2004. Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden: Springer-Verlag. S. 489–498. Franke, Johanna, 2022. Gender(a)symmetrien in der Verleihung von Kunstpreisen - Die Relevanz von Gender bei Auszeichnungen an Künstlerinnen. Masterarbeit, Leuphana Universität Lüneburg. Galtung, Johan, 2000. Globale Migration. In: Butterwege, Christoph/Hentges, Gudrun (Hg.), 2000. Zuwanderung im Zeichen der Globalisierung. Opladen: Westdeutscher Verlag. Graw, Isabelle, 2003. Die bessere Hälfte, Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts. Köln: DuMont Verlag. Hassler, Katrin, 2017. Kunst und Gender. Zur Bedeutung von Geschlecht für die Einnahme von Spitzenpositionen im Kunstfeld. Bielefeld: transcript Verlag. Hausmann, Ricardo/Tyson, Laura D./Zahidi, Saadi, 2006. Global Gender Gap Report 2006. World Economic Forum. Genf. https://www3.wefo rum.org/docs/ (visited, April 19,2022). McAndrew, Clare (2022): The Art Market 2022. https://www.artbasel.com/about/initiatives/the-art-market (visited, December 21,2022). National Museum of Women in the Arts, 2022. Get the facts. https://nmwa.org/support/advocacy/get-facts/ (visited, December 11,2022). Nochlin, Linda, [1971] 2021. Why have there been no great women artists? 50th anniversary edition. London: Thames & Hudson. Scheidegger, Nicoline/Osterloh, Margit, 2004. One network fits all? Effekte von Netzwerkcharakteristika auf Karrieren. In: Pasero, Ursula/Priddat, Birger P. (Hg.), 2004. Organisationen und Netzwerke: Der Fall Gender. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 199–226. Wetterer, Angelika, 1999. Integration und Marginalisierung. Das Verhältnis von Profession und Geschlecht am Beispiel von Ärztinnen und Juristinnen. Vortragsmanuskript/27.04.1998. FernUniversität – Gesamthochschule in Hagen. [1] Boucher 2015. [2] Siehe dazu https://artandfeminism.org/ ; https://feministartcoalition.org/ ; http://mehrmütterfürdiekunst.net/ [21.12.2022]. [3] Vgl. Boucher 2015. [4] siehe dazu zum Beispiel McAndrew 2022; siehe dazu auch Hassler 2017: 226 ff. [5] vgl. Nochlin [1971] 2021. [6] siehe dazu Hassler 2017. Die Reduktion der Geschlechtervariable auf eine weibliche und eine männliche Genusgruppe beschreibt eine paradoxe Problematik, indem ein Denken in dichotomen Geschlechterkategorien erhalten wird, das im Grunde bekämpft werden soll (siehe dazu auch Graw 2003: 10). Dieses von poststrukturalistischen wie dekonstruktivistischen Ansätzen der Geschlechterforschung zu Recht kritisch hinterfragte Vorgehen bedarf einer Erklärung. Trotz des Wissens um die soziale Konstruktion von Geschlecht zeigt sich eine Geschlechterdichotomie im Kunstfeld nach wie vor als persistent. Ausgehend von diesem Faktum liegt der Fokus der Analyse auf der Sichtbarmachung dieser geschlechtsbedingten sozialen Ungleichheiten und dichotomen Strukturen, um sie zu hinterfragen und ihnen letztlich entgegenwirken zu können. In diesem Sinne dient die Untersuchung auch dazu, den Stimmen entgegenzuwirken, die sich auf den heute ausgeglichenen Zugang zum Bildungssystem und eine gleichwertige Inklusion in professionellen Feldern berufen. Neben den zweifelsohne erfolgten Veränderungen dürfen die nach wie vor tief in unseren gesellschaftlichen Strukturen und Denkschemata verankerten dichotomen geschlechtlichen Herrschaftsverhältnisse nicht außer Acht gelassen werden. Sie können dann aufgebrochen werden, wenn sie reflektiert, entschleiert und sichtbar gemacht werden – die Studie leistet hierzu einen Beitrag. Offen bleibt eine Sichtbarmachung queerer Positionen, die in Ermangelung nutzbarer Daten in diesem Rahmen nicht dargestellt werden konnten. Ein Dilemma, das in der Forschung dringend stärkere Beachtung finden muss (siehe hierzu auch Hassler 2017: 153 ff.). [7] National Museum of Women in the Arts 2022. [8] Die Bezugnahme auf diese Preise basiert auf einem Ranking von artfacts.net , das nach dem Prestige der dort ausgestellten Künstler:innen erstellt wurde. Da in der Analyse ausschließlich zeitgenössische Künstler:innen im Fokus standen und sich die Preise nicht auf ein bestimmtes Genre beziehen sollten, wurden die drei genannten Preise ausgewählt. Siehe dazu Grafik „Die erfolgreichsten Kunstmuseen Deutschlands, ermittelt durch die Punktezahl der Künstler:innen der Sammlung“ (Daten zur Verfügung gestellt von Artfacts.net, in persönlicher Korrespondenz mit Marek Classen, 28.09.2021). [9] Die Analyse zu Genderasymmetrien von Kunstawards wurde im Rahmen einer Masterarbeit an der Leuphana Universität Lüneburg im Studiengang Kulturwissenschaften von Johanna Franke vorgelegt. Siehe dazu Franke 2022. [10] Die Einteilung Northwest, Southwest, Northeast und Southeast erfolgt nach Johan Galtung. Um die Position des Westens zu analysieren, erweist sich eine Einteilung nach Regionen als sinnvoll. Galtungs Einteilung der Welt in „the four corners of the world“ bietet hierfür eine Strukturierungsmöglichkeit. Somit kann nicht nur zwischen europäischen Kunstmetropolen sowie den USA und der restlichen Welt unterschieden werden, vielmehr zwischen vier Regionen: „The ‚Northwest‘ encompasses Anglo-Saxon North America and Western Europe (countries of the EU in the borders before 2004); the ‚Northeast‘ includes the former Soviet Union, Eastern Europe, Turkey, the former Soviet republics with a Muslim majority, Pakistan and Iran. The ‚Southwest‘ comprises Latin America, Mexico, the Caribbean, West Asia, the Arab world, Africa, South Asia and India; the ‚Southeast‘ East Asia, Southeast Asia, the Pacific Islands, China and Japan.“ (siehe dazu auch Buchholz/Wuggenig 2005. Nach: Galtung 2000. [11] Der Global Gender Gap Report wird jährlich vom World Economic Forum (WEF) in Kooperation mit der Harvard Universität und der University of Berkeley veröffentlicht. Erstellt werden Länderrankings auf der Grundlage nationaler Geschlechterungleichheiten nach ökonomischen, politischen, bildungs- und gesundheitsbasierten Kriterien. Vgl. Hausmann/Tyson/Zahidi 2006. [12] Der Global Gender Gap Report ermittelt eine Punktzahl (Score) zwischen 0 und 1 zur Verdeutlichung der Geschlechtsungleichheiten. Je höher der Wert, desto geringer ist der ermittelte Gender Gap. Hinsichtlich dieses Scores werden die Länder im Ranking platziert (Rang). [13] siehe dazu auch Hassler 2017: 196. [14] Ähnliche Ergebnisse finden sich auch in der Analyse des internationalen Feldes zur Einnahme von Spitzenpositionen. Hier konnte insbesondere für Europa und Afrika eine gegenläufige Tendenz der Geschlechterasymmetrie in der Besetzung von Positionen im Kunstfeld und der vom WEF definierten globalen Geschlechterungleichheit gezeigt werden. Afrika, ein Kontinent mit relativ starken Differenzen nach Geschlecht, wies in der Analyse einen vergleichsweise hohen Künstlerinnenanteil im Spitzenfeld der Kunst auf. In Europa, einem Kontinent mit relativ geringer Ungleichheit nach Geschlecht, bestand hingegen eine verhältnismäßig schwache Inklusion von Künstlerinnen. Im Anschluss an Konzepte der vertikalen Segregation ließ sich im Hinblick auf diese entgegengesetzte Ausrichtung der globalen und der kunstfeldbezogenen Geschlechterasymmetrie schlussfolgern, dass Künstlerinnen insbesondere dann Präsenz im Kunstfeld erhalten, wenn vergleichsweise geringe Chancen vorliegen, über diesen Beruf Reputation und Macht zu erlangen (siehe dazu Hassler 2017: 195 ff). Katrin Hassler (Dr. phil.), Kulturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt in der Kunstsoziologie und den Gender Studies, ist Mitarbeiterin im Projekt Geschlechteraspekte im Blick sowie Referentin für Karriereentwicklung von Wissenschaftlerinnen an der Leuphana Universität Lüneburg. Sie lehrt an der Leuphana sowie an der NABA (Nuova Accademia die Belle Arti) in Mailand. Johanna Franke ist Kulturwissenschaftlerin und studierte in Hildesheim, Lüneburg und in Finnland mit den Schwerpunkten Kunst- und Medienwissenschaften. In ihrer Abschlussarbeit analysierte sie Genderasymmetrien im zeitgenössischen Kunstbetrieb und Machtgefüge von Kunstawards. Als Projektmanagerin in einer Kreativagentur beschäftigt sie sich mit digitalen Technologien wie Augmented Reality und Virtual Reality sowie immersivem Storytelling für Unternehmen und Kulturinstitutionen. 1 Anker 1 Anker 2 Anker 3 Anker 4 Anker 5 Anker 6 Anker 7 Anker 8 Anker 9 Anker 10 Anker 11 Anker 12 Anker 13 Anker 14

  • Grüne Institution | appropriate!

    Ein Gespräch mit Oliver Ressler, Interview von Lena Götzinger Iss ue 5│ Klimanotstand Anker 1 Grüne Institution Hye Hyun Kim und Paul-Can Atlama im Gespräch mit Christoph Platz-Gallus 1 Christoph Platz-Gallus, Direktor des Kunstvereins Hannover 2 Kunstverein Hannover Wenn es um den Klimawandel und Maßnahmen für einen zielführenden Klimaschutz geht, verschiebt sich der Fokus zunehmend von der Kritik individueller Konsumentscheidungen zur Kritik an Systemen und damit einhergehend an Institutionen, die ebenjene Systeme aufrechterhalten oder zumindest von ihnen profitieren. Kunstvereine nehmen in diesen Debatten eine außergewöhnliche Rolle ein. Sie haben meist den Anspruch an sich selbst, gesellschaftlich relevante Themen mit aktuellen Methoden aufzugreifen, und tragen damit zur Meinungsbildung ihrer Besucher:innen bei. Auch wenn sie nicht mit den Institutionen vergleichbar sind, die aktuell effektiven Klimaschutz verhindern, gerät ihr Handeln vermehrt in den öffentlichen Fokus. Dadurch steigt das Verlangen nach einer stärkeren Selbstreflektion der eigenen Klimabilanz genauso wie der in den Ausstellungen behandelten Themen. Christoph Platz-Gallus ist seit 2022 der neue Direktor des Kunstvereins Hannover und somit dafür verantwortlich, die 2023 beschlossene Nachhaltigkeitsstrategie des Kunstvereins Hannover anzuleiten. Bevor es jedoch um konkrete Maßnahmen geht, ist es ihm wichtig, dabei die Geschichte der Kunstvereine nicht aus den Augen zu verlieren. „Also grundsätzlich muss man sagen, dass natürlich Kunstvereine im Grunde einer der wichtigsten kulturellen Erbstränge sind, die die Institutionsgeschichte im deutschsprachigen Gebiet hergibt, weil sie im 19. Jahrhundert als Amateurzirkel gegründet wurden und zunehmend eine sehr deutliche Demokratisierungsrichtung angestoßen haben“, so Platz-Gallus. Er betrachtet die Kunstvereine in ihrem historischen Kontext – als Institutionen, die sich zu Beginn mit ihren bürgerlichen Idealen von selbstorganisierter Bildung gegen die hegemonialen Kräfte des Adels durchsetzten – und sieht darin eine historische Verantwortung. Daraus entspringt der Anspruch des Kunstvereins, als Ort des Diskurses über zeitgenössische Belange zu fungieren und damit weiterhin zu einer Demokratisierung öffentlicher Debatten beizutragen. Während Kunstvereine im 19. Jahrhundert noch klar die Interessen des Bildungsbürgertums vertraten, ist ihr Anspruch heute eine Verschiebung oder eher Erweiterung um unterrepräsentierte und marginalisierte Perspektiven. Kunstvereine nehmen in der Landschaft der Kunstinstitutionen eine besondere Rolle ein. Im Gegensatz zu Museen, die ihre Ausstellungen oftmals bereits drei bis vier Jahre im Voraus planen, haben Ausstellungen beim Kunstverein Hannover nur circa ein Jahr Vorlauf, wodurch es möglich wird, schneller und an vorderster Front auf Entwicklungen zu reagieren und innovativen künstlerischen Praktiken eine Plattform zu bieten. Die Erfahrungen und Einsichten aus der Teilnahme an Großausstellungen wie Biennalen und der documenta offenbaren für Christoph Platz-Gallus die Notwendigkeit einer institutionellen Nachhaltigkeit, die oft in der Fluktuation von Teams und der Diskontinuität von Wissensstrukturen verloren geht. Er skizziert seine Vision einer idealen, grünen Institution, die Nachhaltigkeit, langfristiges Engagement und interdisziplinäre Bildung in den Mittelpunkt stellt. Die ideale Institution zeichnet sich durch eine stabile Struktur aus, die finanzielle Sicherheit und längerfristige Beschäftigungsverhältnisse bietet. Ein Beispiel hierfür ist das Festival Steirischer Herbst. „Ich hatte in Österreich in Graz eine sehr luxuriöse institutionelle Aufgabe für fünf Jahre, wo im Grunde für vier Wochen Festival ein ständiges Team das ganze Jahr angestellt war. [...]Das war im Grunde eine vollständig unterstützte Struktur, weil man in der Lage war, ein bisschen langfristiger zu denken, langfristiger mit Leuten zusammenzuarbeiten“, so Christoph Platz-Gallus. Das beweist, wie ein permanentes Team, das das ganze Jahr über beschäftigt ist, langfristiges Denken und Zusammenarbeit fördert, was in Großausstellungen oft nicht möglich ist. Die Flexibilität, Teams je nach Bedarf zu erweitern, ohne die Kernstruktur zu verlieren, ist entscheidend für die Bewahrung der institutionellen und künstlerischen Nachhaltigkeit. Eine Schlüsselkomponente ist die Förderung langfristiger Arbeitsmodelle mit Künstler:innen. Dies steht im Gegensatz zu der kurzfristigen Natur vieler zeitgenössischer Kunstprojekte und ermöglicht eine tiefere künstlerische Entwicklung und Kooperation. Durch die Schaffung finanzieller Sicherheiten können Künstler:innen eingeladen werden, über längere Zeiträume hinweg mit der Institution zusammenzuarbeiten. „Wenn es die finanzielle Sicherheit und einen Förderrahmen gibt, kann man zum Beispiel auch, das haben wir in Graz über drei Jahre zumindest in einem Projekt gemacht, Künstler:innen einladen, mehrfach zu kommen und mehrfach mit einem dort zu arbeiten und weiterzuentwickeln. Also ein bisschen aus dieser Ökonomie, dieser Gastvorstellung auch rauszukommen. Einmal kurz da, Namen kurz bei E-Flux rausgehauen, ganz kurz kommt die Presse [...] und dann zum Nächsten sozusagen“, erzählt uns Christoph Platz-Gallus und erklärt, dass es eine interessante Strategie für Institutionen und Einrichtungen ist, langfristige Arbeitsmodelle mit Künstler:innen auszuprobieren, die möglicherweise eine nachhaltigere Zusammenarbeit ermöglichen. Diese hohen Ansprüche an sich selbst müssen jedoch stets mit den realen Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten der Kunstvereine in Einklang gebracht werden. Veranstaltungen weiter als ein Jahr im Voraus zu planen, wäre beispielsweise auch gar nicht möglich. „Darüber hinaus geht es eigentlich nicht wirklich, weil die Kapazität auch noch gar nicht da ist. [...] Wir sind schon einer der größeren Kunstvereine mit sieben Stellen, also sechs plus FSJlerin, und dann gibt es ganz viele Freelancer:innen.“ Hinzu kommt eine starke Abhängigkeit der Kunstvereine von der Akquise zusätzlicher Fördergelder. „Die Realität der Non-Profit-Institutionen ist eine wahnsinnige Abhängigkeit, was das Geld betrifft. Also ich muss hundert Prozent des Ausstellungsetats akquirieren. [...] Der Kunstverein ist die älteste Kunstinstitution der Stadt, aber ist in dem Rahmen gefördert, wie andere Vereine auch, dass man vielleicht gerade so wenige engagierte Mitarbeiter:innen beschäftigen und das Licht anschalten kann.“ Es müssen also für den tatsächlichen Betrieb zusätzliche Geldquellen in der Form von Spenden, privaten und öffentlichen Stiftungen und von internationalen Geldgeber:innen organisiert werden. Dadurch ist es laut Platz-Gallus auch nicht möglich, extra Personal für Klimafragen einzustellen: „Wir können uns gar keine Beauftragten innerhalb des Teams leisten, die nur den Footprint und Fragen der Nachhaltigkeit in der Institution checken [...]. Das müssen die Institutionen selbst machen.“ Letzten Endes sind es dann häufiger kleinteilige und weniger öffentlichkeitswirksame Punkte, mit denen man sich auseinandersetzen muss. In einer Pressemitteilung vom 11. Januar 2023 wird beispielsweise unter Anderem auf den Papierverbrauch eingegangen: „Materialien für Werbe- oder Bildungszwecke überhaupt zu drucken, wird in jedem Falle sorgfältig geprüft, um Bedarf und Abfall zu begrenzen. Drucksachen werden, wann immer möglich, auf Recyclingpapier hergestellt, und die Mitglieder haben die Möglichkeit, sich gegen gedruckte Sendungen zu entscheiden. Gleichzeitig sind wir uns des CO2-Fußabdrucks der digitalen Kommunikation bewusst und verpflichten uns, auch in diesem Bereich auf einen nachhaltigen Verbrauch hinzuarbeiten.“ [1 ] Ebenso sollen, wenn möglich, bei Veranstaltungen vegetarische oder vegane Speisen von lokalen oder regionalen Anbieter:innen serviert werden. Wie stringent die eigens auferlegten Maßnahmen eingehalten werden, ist schwierig nachzuvollziehen. Manchmal sparen auch Maßnahmen, die ursprünglich aus anderen Gründen ergriffen wurden – etwa die verstärkte Zusammenarbeit mit lokalen Künster:innen oder Nachbarschaftsprojekten –, Emissionen ein. Ein Beispiel dafür ist die Kollaboration mit dem REAL DANCE Festival Hannover Anfang dieses Jahres, bei dem die beiden Choreograf:innen Tiago Manquinho aus Braunschweig und Manuela Bolegue aus Hannover den Kunstverein als während der Ausstellung begehbaren Proberaum nutzten.[2 ] Diese Projekte beschäftigen sich nicht unmittelbar mit dem Klimaschutz und tragen dennoch dazu bei, Emissionen zu vermeiden. Auf der anderen Seite werden ressourcenintensive Projekte kritischer hinterfragt, als es vor wenigen Jahren noch der Fall war. „[...] einer meiner Vorgänger, Eckhard Schneider [hat] zur Expo 2000 eines der größten stromintensivsten Projekte gemacht, eine Gerhard-März-Installation mit 17.000 Neonröhren [3 ], was eine Art überbordendes Licht-Projekt war, das natürlich eine Setzung ist und auch diese Gigantomanie der monumentalen Kunst so massiv befördert hat. Wir haben innerhalb unseres Bildenden-Kunst-Diskurses da schon seit langer Zeit doch eine andere Richtung,“ sagt Platz-Gallus. Doch die Situation ist nicht bei allen Kunstvereinen gleich. Gerade was die Infrastruktur und den Zustand der Gebäude angeht, gibt es große Diskrepanzen. „Die einen haben 500 Neonröhren aus den 80er-Jahren, die nächsten haben 25 und dafür andere Lichtquellen. Die einen haben Grünstrom, den sie über die Stadt beziehen, und die nächsten sind in einem städtischen Gebäude und sind sowieso an einen Anbieter gebunden. [...] Plötzlich kündigt der Stromanbieter den Vertrag und man ist irgendwie auf einem doppelten Strompreis. Und jetzt versucht man, irgendwie im laufenden Jahr so was auszugleichen. Das ist einfach für viele Institutionen massiv problematisch“, schildert Platz-Gallus. Deshalb würde sich der Dachverband Arbeitsgemeinschaft Deutsche Kunstvereine (ADKV) aktuell für zusätzliche Finanzierung vom Bund einsetzen, um bei Sanierungsmaßnahmen einen gewissen Ausgleich zwischen den Kunstvereinen gewährleisten zu können. Die Ideen sowie die Ambitionen für einen zukunftsweisenden und grünen Kunstverein sind vorhanden. Es gibt auch durchaus schon innovative Projekte, an denen man sich orientieren kann. Häufig läuft die alltägliche Realität dann jedoch wieder auf eine kleinteilige und langwierige Auseinandersetzung mit dem ständigen Finanzierungsbedarf hinaus. Christoph Platz-Gallus lässt sich davon dennoch nicht den Mut nehmen: „Es sind häufig die kleinen Schritte und nicht die großen Sprünge, um sich auf eine nachhaltigere Praxis einzulassen. [...] Deswegen glaube ich auch, dass die kleinen Institutionen, die auch in ihren Förderanträgen gefragt werden: ‚Wie ist denn eure Strategie?‘, durchaus sehr selbstbewusst damit umgehen sollten, was sie denn wirklich alles schon machen.“ [1] https://www.kunstverein-hannover.de/files/01_PM_KVH_Jahrespressekonferenz_2023_2023012.pdf (Zugriff 14.02.2024) [2] https://www.kunstverein-hannover.de/de/kalender/3931-for-real-1 (Zugriff 14.02.2024) [3] https://www.shortcut-film.de/referenzen/kunst/kunst_gerhard_merz/index.php (Zugriff 14.02.2024) Christoph Platz-Gallus , der studierte Kunsthistoriker und vergleichende Literaturwissenschafter, hat international Ausstellungs- und Biennaleformate verschiedener Größenordnungen konzipiert und realisiert. Er arbeitete für die Skulptur Projekte Münster 07, die Kunsthalle Münster sowie den Westfälischen Kunstverein und veröffentlichte die Publikation „Kunstverein im Umbruch“ über die Entwicklung der Institution im Nachkriegsdeutschland. Seit 2022 ist Platz-Gallus der neue Direktor des Kunstvereins Hannover. Hye Hyun Kim , geboren 1991 in Daegu, Südkorea, ist eine Künstlerin, die derzeit an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig unter der Anleitung von Professor Nasan Tur Freie Kunst und bei Prof. PhD Martin Krenn Kunstvermittlung studiert. In ihren Workshops und Projekten zeigt sie überzeugend auf, wie Kunstvermittlung als Brücke zwischen Kunst und Gemeinschaft fungieren kann, indem sie ein Umfeld schafft, das zu Dialog, Reflexion und gemeinsamem Schaffen einlädt. Paul-Can Atlama , geboren 1998 in Köln, absolvierte seinen B.A. Intermedia an der Universität zu Köln und studiert aktuell Freie Kunst in der Fachklasse für Erweiterte Fotografie, Media and Poetics bei Professorin Natalie Czech und Kunstvermittlung bei Prof. PhD Martin Krenn an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Sein forschender Blick und die Faszination für Kommunikation und das transformative Potenzial von Medien informieren sowohl seine künstlerische als auch vermittlerische Praxis. Abbildungsverzeichnis (Bilder) 1. Porträt Christoph Platz-Gallus, Foto: Marija M. Kanižaj 2. Kunstverein Hannover, Foto: Andre Germar 01 02 03

  • Issue 3 Zwischen politischer und kultureller Bildung | appropriate

    Daphne Schüttkemper und Julika Teubert im Gespräch mit Linda Kelch Issue 3 │ Vermittlung Anker 1 Zwischen politischer und kultureller Bildung: Im Gespräch mit Linda Kelch Daphne Schüttkemper und Julika Teubert Im Gespräch mit Linda Kelch Screenshot: JulikaTeubert (c) 2022 Porträt von Linda Kelch (c) Linda Kelch In Deutschland gibt es eine staatliche Institution, die sich dem Auftrag der politischen Bildung bundesweit angenommen hat: Die Bundeszentrale für politische Bildung, kurz bpb. Ihre Hauptaufgaben sind die Vermittlung zwischen Politik und Bürger:innen und die Gewährleistung politischer Bildung. Diese spezifische institutionelle Arbeit ist in dieser Form europaweit einzigartig. Natürlich steht die Gründung der bpb im Jahr 1952, kurz nach dem 2. Weltkrieg, in enger Verbindung mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Aber auch die spätere deutsche Geschichte zeigen die Notwendigkeit auf, politische Bildung sicherzustellen. Aufgrund dessen verpflichtet sich die bpb im Jahr ihres 70-jährigen Jubiläums, weiterhin „die Entwicklung eines sich auf Demokratie, Toleranz und Pluralismus gründenden politischen Bewusstseins zu fördern.”[1] In Hinblick auf die Frage zum Verhältnis von politischer und kultureller Bildung führten wir ein Gespräch mit Linda Kelch, die derzeit in der Projektgruppe Interdisziplinäre Bildung und Vermittlung ‚Landshut‘ an der Schnittstelle von politischer und kultureller Bildung tätig ist. Thematische Schwerpunkte ihrer Arbeit sind unter anderem die Kulturalisierung von Politik und Politisierung von Kultur aus interdisziplinärer Perspektive. Bereits seit 2015 arbeitet sie für die bpb. Innerhalb der politischen Bildung ist das Vertraut-machen mit der Demokratie eines der zentralen Themen, denn es ist eine Voraussetzung zur Teilhabe an demokratischen Prozessen. Schließlich kann die Demokratie ohne Partizipation der Beteiligten schlichtweg nicht funktionieren. Immer wieder benötigt es neuer Strategien und Impulse, um das komplexe System der Demokratie zu verstehen, oder überhaupt zu erlernen: „Man kommt sozusagen nicht als Demokrat:in auf die Welt. Man wird es, wenn man politische Bildung genießen kann.”, sagt Linda Kelch im Gespräch mit uns. Trotzdem geht die politische Bildung in ihrem Kern über eine Aufrechterhaltung des Status Quo und seiner Legitimation hinaus. „Bei der politischen Bildung geht es zentral um Kritikfähigkeit, um Mündigkeit und am Ende die dafür notwendige Urteilsfähigkeit.”, sagt Linda Kelch. Das sei ein wichtiger Unterschied zwischen Demokratiebildung und politischer Bildung. Zunächst fragten wir uns, was für eine Struktur die bpb hat, und was diese für die Unabhängigkeit ihrer Bildungsarbeit bedeutet. Denn da sie eine nachgeordnete Behörde im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums, kurz BMI ist, und ihre Arbeit durch eine Fachaufsicht des BMI überwacht wird, muss natürlich ihre politische Unabhängigkeit gewahrt werden. Als Behörde folgt die bpb einer typischen Struktur in Aufbau und Leitung durch den Präsidenten und die Verwaltung, neben der die Fachabteilung steht. Doch besteht so nicht die Gefahr, dass durch den Aufbau der Behörde die Mitarbeitenden und auch Projekte einseitig beeinflusst werden könnten? Zum Beispiel fragten wir uns, inwiefern und ob sich in der Vergangenheit und heute ein “männlicher Blick” in der Bildungsarbeit der bpb widerspiegelt. “Die Verwaltung ist keineswegs unpolitisch, selbst wenn sie parteipolitisch neutral ist”, betont Linda Kelch, und “es wäre komplett naiv, davon auszugehen, dass die bpb sich außerhalb der Machtstrukturen befindet, die insgesamt in der Gesellschaft vorherrschen.” Um einen Machtmissbrauch zu verhindern, orientiert sich die bpb an ihren formulierten Grundsätzen und nutzt eigene Qualitätskriterien, die eine Dezentralisierung und Pluralisierung von Perspektiven ermöglichen sollen. "Das ist ja eine Aufgabe von politischer Bildung: Das, was in der Gesellschaft kontrovers ist, auch kontrovers abzubilden und diskutierbar zu machen.” sagt Linda Kelch, “und das bedeutet eben auch, diejenigen Perspektiven sichtbar und hörbar zu machen, die da sind, aber aufgrund von Machtasymmetrien marginalisiert werden.”. Dieses sog. Kontroversitätsgebot liegt der Konzeption aller nach außen gerichteter Arbeit zugrunde und stellt auch sicher, dass die Umsetzung von Projekten oder Formaten, die sich mit einer Machtasymmetrie in der Gesellschaft auseinandersetzen nicht in ihrer Umsetzung durch eben diese gehemmt werden können. Andererseits liegt es bspw. im Auftrag der Gleichstellungsbeauftragten, zu kontrollieren, wie die Personalfindung und -führung innerhalb der Behörde umgesetzt wird. Auch Abläufe, wie die regelmäßige Berichterstattung über die Tätigkeit der bpb gegenüber dem BMI und dem Parlament, oder die Beantwortung kleiner Anfragen sollen sicherstellen, dass die Arbeit der bpb nicht zweckentfremdet werden kann. Dazu sagt Linda Kelch außerdem: “Ich würde sagen, dass wir an der Stelle auch sehr viel Selbstreflexion üben und immer wieder versuchen, das zu hinterfragen, was wir tun vor dem Hintergrund des Auftrags, den wir haben. Und der lautet eben nicht eine bestimmte Perspektive und den männlichen Blick abzubilden oder zu verstärken, sondern gerade zu dezentralisieren und ins Verhältnis zu setzen.” Trotz der klaren Abläufe innerhalb der bpb ist laut Linda Kelch die Struktur der Behörde immer wieder so flexibel, dass fachbereichsübergreifende Projektarbeiten möglich sind. Für die Projektgruppe Interdisziplinäre Bildung und Vermittlung ‚Landshut‘ ist dies sogar essenziell, denn sie hat im Sinne einer Stabsstelle, die statt einem Fachbereich direkt dem Präsidenten unterstellt ist, den Auftrag hausweit koordinierend tätig zu sein. Doch wo hört der politische Sektor auf und wo beginnt der kulturelle? Kann man diese großen Felder überhaupt separat betrachten? Schließlich sind viele Bereiche unseres Lebens Ort der politischen Verhandlung und Kultur beinhaltet viel mehr als „nur“ die schönen Künste. Schaut man auf die Historie und Theorie zurück lassen sich die beiden Bildungsbereiche besonders in ihrer Zielsetzung voneinander unterscheiden. Das Bundesinnenministerium definiert politische Bildung „als einen notwendigen Bestandteil der freien und offenen Gesellschaft, da sie eine wehrhafte und streitbare Demokratie stärkt“. Sie möchte den Bürger:innen Kompetenzen vermitteln, um das eigene Urteilsvermögen zu stärken, ihre eigene Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu erkennen und an ihren Prozessen teilzuhaben. Dem entgegen verfolgt die „kulturelle Bildung die Fähigkeit zur erfolgreichen Teilhabe an kulturbezogener Kommunikation mit positiven Folgen für die gesellschaftliche Teilhabe insgesamt." Ihre Ziele sind unter anderem die Stärkung der individuellen Persönlichkeit, die Reflexion des eigenen Verhaltens und der Werthaltung gegenüber der eigenen Identität, sowie die Lebensgestaltung in Verbindung mit den Künsten. Doch der Name der Projektgruppe Interdisziplinäre Bildung und Vermittlung ‚Landshut‘ lässt sich auf keinen spezifischen Fachbereich oder eine konkrete Bildungsmethode reduzieren: „Unserer Meinung nach ist die Entgrenzung, die wir überall in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen feststellen nur adäquat fassbar, wenn wir auch methodisch entgrenzt vorgehen. Das heißt, sich nicht zu versteifen auf die Methoden politischer Bildung, die vielleicht vor 50 Jahren mal adäquat waren.“ erklärt uns Linda Kelch den Hintergrund der Projektgruppe. Alle Wertvorstellungen, Dinge und Objekte des Lebens seien wichtig, um unsere aktuelle Gesellschaft zu verstehen. Kultur spiele auf vielen Ebenen eine wichtige Rolle - „Alles, was uns unter dem Schlagwort Polarisierung einfällt, wird explizit im Kulturbereich ausgetragen”. Auch lässt sich eine Politisierung kultureller Akteur:innen wahrnehmen, was unter anderem an den vielen Herausforderungen und Krisen unserer Zeit liegt. Themen der Identität, Machtverhältnisse und Repräsentation sind enorm politisch. Linda Kelch betont, dass diese vielen Phänomene für die Arbeit der politischen Bildung beachtet und mitgedacht werden müssen. Aus diesem Grund versucht die Projektgruppe die Methoden der politischen Bildung stetig zu erweitern und anzupassen. Oft arbeiten sie für ihre Projekte mit externen Partner:innen aus Kulturinstitutionen (Museen, Theater, Literatur u.v.m.) zusammen, um die Expertise der kulturellen Bildung mit der politischen zu vereinen.[2] Die punktuelle Projektarbeit bietet so eine wichtige Möglichkeit auch langfristig angelegte Formate kurzfristig an das Zeitgeschehen anzupassen. Denn wer zu einer Zusammenarbeit angefragt wird, ist aus politischer Perspektive relevant. Das sieht auch Linda Kelch so: „Das ist ja auch wiederum eine Frage von Macht, die ich ganz explizit habe, indem ich Veranstaltungen konzipiere und mir dabei überlege, wen ich aufs Podium setze und wen nicht.“ Hinzukommt, dass die verschiedenen Fachbereiche in unterschiedlichen Formaten arbeiten und sich jeweils an verschiedene Zielgruppen richten. So kann fokussierter auf die Bedürfnisse und Wissensgrundlagen eingegangen werden, die sich z.B. von der Grundschule zu der Oberstufe enorm unterscheiden. Darüber hinaus stellt die bpb ein breites Angebot für Lehrkräfte und Multiplikator:innen aus Politik, Bildung und Kultur. So seien die vielen Projektgruppen aktuell dazu aufgerufen „Ukrainische Stimmen und die Positionen stark zu machen, die jetzt in die Verteidigungshaltung gedrängt werden und auch, sich eine langfristige Strategie zu überlegen, wie man das, was vielleicht in den letzten Jahren nicht deutlich genug hörbar war, in Zukunft stärker vernehmbar machen kann.“, so Linda Kelch. Dieser Ansatz Linda Kelchs ist selbstreflexiv und sollte von Vermittler:innen in allen Bildungsbereichen verfolgt werden. Nämlich, sich selbst als Vermittler:in immer wieder aufs Neue zu fragen: Wen lasse ich (nicht) reden? Wem höre ich (nicht) zu? Linda Kelch arbeitet in der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb an Konzepten einer interdisziplinären Vermittlung zwischen politischer, ästhetischer, historischer und kultureller Bildung. Diese setzt sie u.a. in Kooperationsprojekten mit verschiedenen Akteur:innen aus dem Kulturbereich um. Seit 2022 ist sie Co-Leiterin der Projektgruppe „Interdisziplinäre Bildung und Vermittlung Landshut“. Quellenverzeichnis „Leitbild der Bundeszentrale für politische Bildung | bpb.de.” BPB, 20 May 2003, https://www.bpb.de/die-bpb/ueber-uns/auftrag/51248/leitbild-der-bundeszentrale-fuer-politische-bildung/ https://www.bpb.de/lernen/kulturelle-bildung/59939/zum-verhaeltnis-von-politischer-und-kultureller-bildung/ https://www.uni-hildesheim.de/kulturpraxis/zum-verhaeltnis-von-kultureller-und-politischer-bildung/ https://www.deutschlandfunkkultur.de/zwischen-propaganda-public-relations-und-politischer-100.html https://www.bpb.de/die-bpb/presse/505952/europapolitische-bildung-in-der-zukunft-notwendigkeiten-und-moeglichkeiten/ Endnoten [1] „Leitbild der Bundeszentrale für politische Bildung | bpb.de.” BPB, 20 May 2003, https://www.bpb.de/die-bpb/ueber-uns/auftrag/51248/leitbild-der-bundeszentrale-fuer-politische-bildung/ [2] Ermert, Karl: Was ist kulturelle Bildung?, 2009 [3] Aktuell betreut Linda Kelch beispielsweise die Reihe “KLASSE DENKEN” im Rahmen des Philosophischen Festivals in Köln. Dort reisen Schulklassen an, um mit Denker:innen und Philosoph:innen über relevante Themen zu diskutieren. 1

  • Issue 1 Bartel | appropriate

    Issue 1 │ Zugänglichkeit Anker 1 Ein Gespräch mit Sebastian Bartel über Kunstvermittlung und künstlerische Praxis Geführt von Marius Raatz und Claas Busche Sebastian Bartel ist Künstler und Kunstvermittler und an unterschiedlichen Häusern tätig. Das Gespräch mit ihm dreht sich um Begriffe wie Zugänglichkeit und lernendes Museum sowie um das Potenzial von Partizipation zur Aneignung von Kunst. Inwieweit ist Kunstvermittlung für dich auch eine künstlerische Praxis? Da werde ich kurz was zu meiner Biografie sagen: Ich habe Kunst auf Lehramt studiert und freie Kunst an der HBK im Anschluss, weil mir klar war, dass ich nicht an einer Schule Kunstlehrer werden möchte. Und im zweiten Studium der freien Kunst habe ich tatsächlich viel in musealen Kontexten in der Kunstvermittlung gearbeitet und gleichzeitig meine eigene künstlerische Arbeit in den Fokus gestellt. Ich trenne das für mich ein bisschen: In meiner künstlerischen Arbeit ist es nicht so, dass ich ständig vermittelnde Aspekte mitdenke oder dass ich dort Verknüpfungen mache. Es gibt aber in der Kunstvermittlung sehr viele Momente, viele Ereignisse, Erfahrungen, die ich gesammelt habe zum Beispiel mit Studierenden, Schüler:innen, Lehrer:innen und Erwachsenen in unterschiedlichsten Kontexten, in denen meine eigene künstlerische Tätigkeit wichtige Impulse liefert; dadurch begreife ich die Initiierung künstlerischer Prozesse als wichtigen Bestandteil der Kunstvermittlung. Daher hat mein künstlerisches Handeln oft Einfluss auf meine Vermittlungstätigkeit. Es geht um künstlerische Abläufe, künstlerische Strategien und das Wissen um Qualitäten und Potenziale künstlerischer Schaffensprozesse, die ich für meine Vermittlungstätigkeit nutze. Was bedeutet für dich Zugänglichkeit im Zusammenhang mit Kunstvermittlung? Ich denke, Zugänglichkeit ist ein sehr wichtiges und interessantes Stichwort. Dies ist jedoch ein Begriff, der sehr vielfältig ist und in verschiedenen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen annimmt. Es gibt zum Beispiel den räumlichen Zugang oder die Frage danach, wie Interesse an Kunst geweckt werden kann. Und warum gibt es Menschen, die das Museum oder Kunsträume überhaupt nicht betreten wollen oder können, welche Barrieren gibt es? Ist der Zugang attraktiv gestaltet? Wie entsteht erst mal der Kontakt mit den Besucher:innen? Und da sind natürlich Museen gefragt, zeitgemäße Strategien zu entwickeln, sowohl im Analogen als auch im Digitalen. Gibt es einen barrierefreien Zugang für Menschen mit Behinderung? Was erwartet die Besucher:innen innerhalb der Institutionen und wie kann man diese Institution gestalten, sodass viele Menschen Zugang bekommen? Was bedeutet für dich der Begriff lernendes Musum? Wie kann das autoritative Museum in ein lernendes Museum transformiert werden? Also wenn eine Institution lernt, bedeutet das für mich, dass sie reflexiv vorgeht, dynamisch ist und sich verändern kann. Die Institution ist gefragt, ihre eigenen Inhalte, Grundsätze oder Haltungen in diversen Kontexten zu reflektieren, zu modifizieren und zu transformieren. Oder, dass man selbst das Gefühl hat, dass die Institution etwas von ihren Besucher:innen lernen will. Sie kann sich bestimmten gesellschaftlich wichtigen Fragestellungen/Themenstellungen widmen und sich dahingehend selbst überprüfen, welche Haltung sie eigentlich vertritt. Welche Bedingungen muss ein Museum/eine Institution erfüllen, um ein lernendes Museum zu sein? Ich denke, dass es eine enge Verbindung zwischen allen Bereichen im Museum geben muss, also zwischen Vermittlungs- und kuratorischen Tätigkeiten, und gleichzeitig benötigt das Haus ein gut aufgestelltes Team, also sowohl qualifiziertes Personal als auch ausreichend Personal, um Strukturen, die man gemeinsam für Ausstellungen und Präsentationen plant, organisieren und umsetzen zu können. Darüber hinaus braucht die Institution natürlich auch eine Struktur, die Bedarfe und Anregungen der Besucher:innen ermittelt, aufbereitet und diese in Arbeitsprozesse mit einfließen lässt. Wie hängen Partizipation (Möglichkeit auf aktive Teilnahme) und Zugänglichkeit zusammen? Ich denke, ich habe schon in der zweiten Frage versucht, auf den Bezug der Zugänglichkeit einzugehen. Zunächst muss man sich fragen: Was motiviert oder was interessiert die Besucher:innen? Ich denke, dass über den Weg der Partizipation sich die Besucher:innen ernst- und wahrgenommen fühlen. Partizipation ist eine Möglichkeit, selbst Erfahrungen zu machen, sich mit der Kunst zu stimulieren, mit der Umwelt, mit sich selbst, der Gesellschaft und verschiedensten Themen und Fragestellungen auseinanderzusetzen. Durch die Partizipation werden andere Zugänge und Blickwinkel möglich gemacht, da die Besucher:innen die Möglichkeit haben, gestaltend einzugreifen und an den Prozessen beteiligt und in sie integriert zu werden. Aufgrund ihrer eigenen Biografie sind für die partizipierenden Besucher:innen der Bezug und die Nähe zu der Institution, zu den Inhalten und Themen ganz andere, als wenn sie auf die Rolle der passiven Betrachter:innen reduziert werden. Vermittlungskonzepte in Museen oder Ausstellungen sollten im besten Fall im Austausch mit Besucher:innen weiterentwickelt werden- Soll Kunstvermittlung in Museen möglichst autonom gehalten werden oder soll sie sich der kuratorischen Ausrichtung der jeweiligen Institutionen unterordnen? Dieser Punkt wird innerhalb der Institutionen stark diskutiert – inwiefern die Vermittlung eine untergeordnete Stellung einnimmt und tatsächlich eher als Dienstleister für die wissenschaftliche Aufbereitung oder kulturwissenschaftliche Aufbereitung eines Themas fungiert. Ich glaube, dass die Kunstvermittlung ein großes Potenzial hat, das für eine Institution sehr interessant sein sollte. Und ich glaube, es gibt unterschiedlichen Bedarf. Es gibt tatsächlich den Bedarf von Besucher:innen, über eine inhaltliche, wissenschaftlich fundierte Analyse des Themas des Künstlers oder der Künstlerin an die Arbeit/das Werk heranzugehen, beispielsweise durch Ausstellungstexte oder Ähnliches, was vollkommen okay ist. Ich glaube allerdings, dass wir mit den Angeboten, die wir für Schüler:innen, Studierende usw. entwickelt haben, als Vermittler eine gute Arbeit leisten, im Sinne von Barrieren abzubauen, Interesse zu wecken und für die Auseinandersetzung mit Kunst und deren Potenzialen zu sensibilisieren, also Zugänglichkeit zu erhöhen. Außerdem finde ich es total spannend, wenn es Prozesse gibt, die angestoßen werden, in denen Menschen außerhalb der Institutionen oder Museen eben auch transformative Prozesse einleiten können und sich dann möglicherweise andere Dinge daraus ergeben, zum Beispiel neue Formen der Präsentation, Produkte digitaler oder analoger Art, die dann wieder für die vermittlerische Tätigkeit genutzt werden können. Welche anderen Orte brauchen deiner Meinung nach Vermittlungsarbeit, wo sie bisher noch gar nicht oder nur bedingt stattgefunden hat? Ich habe neulich bei einem rassismuskritischen Workshop teilgenommen und die Workshop-Leiter:innen haben ganz stark auf den städtischen Raum verwiesen und auf die Prozesse und Dinge, die damit im Zusammenhang stehen. Etwa postkoloniale Strukturen, die in urbanen Räumen eigentlich sichtbar sind, an welchen wir jedoch häufig vorbeilaufen, ohne sie wahrzunehmen. Ich dachte, das ist interessant, da braucht's vielleicht irgendwie an der einen oder anderen Stelle noch mal jemanden, der mich als Einwohner:in einer Stadt auf Denkmäler, auf bestimmte Straßennamen, auf bestimmte Gebäudeflächen aufmerksam macht, um dadurch Geschichte zu dekonstruieren … Projekte dieser Art gibt’s ja tatsächlich auch schon. Das ist zwar kein neuer Gedanke, aber vielleicht kann ein solcher Ansatz auf den digitalen Raum ausgeweitet werden. Wir sehen ja, dass der digitale Raum gerade viele neue Möglichkeiten aufzeigt, diverse Austauschformen, Diskussionsplattformen usw. Da passiert gerade so viel, dass das für mich teilweise schwer ist zu überblicken. Es wächst gerade ganz viel aus dem Boden und ich weiß nicht immer, ob ich das jeweilige Angebot überhaupt wirklich nutzen möchte. Aber gerade deswegen finde ich diesen Raum so spannend und er benötigt ganz bestimmt mehr Vermittlung, auch als Hilfestellung für mehr Zugänglichkeit. Hast du ein utopisches Vermittlungsprojekt, welches du gerne realisieren möchtest? Gibt es dafür einen Wunschort? Darum geht's eher weniger. Ich habe da spontan gerade nichts in der Schublade. Der digitale Raum interessiert mich wirklich sehr und ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Raum in der Zukunft für mich eine noch größere Relevanz haben wird und ich dort auch an der Entwicklung und Umsetzung von Vermittlungsprogrammen beteiligt sein werde. Allerdings finde ich sehr wichtig, hier auch hybride Formate zu denken und zu entwickeln. Dass es ebenfalls Präsenzveranstaltungen gibt. Ich halte die Betrachtung originaler Kunstwerke und Artefakte vor Ort für sehr bedeutsam. Und das Erleben und Betrachten, das Zusammenspiel von Betrachter:innen und Kunstwerk im musealen Raum finde ich sehr spannend, wesentlich und daher unverzichtbar für die Vermittlungsarbeit. Ich merke auch, dass mich die Arbeit mit Studierenden sehr interessiert. Der Austausch mit Studierenden ist für mich sehr bereichernd. Außerdem finde ich das praktische Handeln in der Kunst interessant und möchte das stärker in den Fokus nehmen, zum Beispiel die digitalen Werkzeuge als Gestaltungswerkzeuge begreifen. Sebastian Bartel, Künstler und Kunstvermittler, geb. in Mönchengladbach. Von 2004 bis 2011 erstes Staatsexamen für das Lehramt Kunst, Universität Duisburg-Essen; 2009 Auslandssemester, University of Art and Design in Helsinki; 2011 bis 2013 Diplom an der HBK Braunschweig; 2013 bis 2014 Meisterschüler Student bei Wolfgang Ellenrieder. Verschiedene Auszeichnungen und Residencies. Derzeit eine Ausstellung im Kunstverein Erlangen. (c) Sebastian Bartel, Foto: Nina Gschlößl, 2018 Anker 2 Anker 4 Anker 3

  • Greifbarkeiten – Gedanken zu Ritualen in Kunst und Kunstvermittlung | Issue 4 | appropriate!

    Maja Zipf Iss ue 4│ Machtverhalten Anker 1 Kunstvermittlung in der Praxis Maja Zipf Kreatives Arbeiten im Workshop / Auseinandersetzung mit dem Thema Widerstand durch Papier/Material. © Maja Zipf 2022 Freies Arbeiten im Workshop / Schulklasse im Workshop, © Maja Zipf 2023 Kunstvermittlung im öffentlichen Raum © Maja Zipf 2023 „Wieso soll ich das denn jetzt kaputt machen?“ fragte mich Lena mit großen Augen. Lena hatte mit ihrer Schule einen Ausflug in den Kunstverein Wolfenbüttel gemacht und befand sich in einem meiner Workshops über die gezeigte Ausstellung „Eigentum und Sicherheit“ von Nadine Fecht. Sie saß an einem Tisch und vor ihr lagen verschiedene Papiere und Pappen, Scheren, Bleistifte und Cutter. Die Schüler:innen waren dazu eingeladen sich dem Thema Widerstand anzunähern. Sie konnten beispielsweise ausprobieren, wie nachgiebig oder robust ein Material ist, wie sich Widerstand anfühlt oder welche eigenen Widerstände in einem vorhanden sein können, wenn etwas absichtlich zerstört wird. Lena wirkte irritiert. Als Kunstvermittlerin fragte ich mich, wie ich mit Lenas Frage umgehen werde. Die Situation mit den Schüler:innen zeigte mir mal wieder, wie eng unser Bildungssystem gestrickt ist und wie wenig Spielraum für Experimente in den Schulen existiert. In der Schule sind wir es gewohnt, nach vorne zur Tafel zu schauen, einer Stimme zuzuhören, die uns erklärt was richtig und was falsch ist. Es werden Aufgaben gestellt, Abgabetermine festgesetzt und Zensuren verteilt. Neben dem affirmativen Unterricht sollen Gruppenaufgaben, Referate und Projekte einen Ausgleich darstellen. Aber eins haben all diese Lernformen gemeinsam, nämlich den klaren Arbeitsauftrag, den Erwartungshorizont und die Zensur am Ende. Dadurch wird den Schüler:innen stark vorgegeben, was gemacht werden soll. Solche Machtverhältnisse existieren nicht nur in den Schulen, wie beispielsweise die Hierarchie zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen, sondern auch in der Kunst, in den Museen und in der Kunstvermittlung selbst. Umso wichtiger ist eine emanzipierte und kritische Kunstvermittlung, die solche impliziten Machtverhältnisse widerspiegelt und kritisch hinterfragt. Auch in meiner eigenen Praxis erlebe ich häufig implizite Machtverteilungen. Vor allem in Workshops mit Schüler:innen, die durch die Schule einen affirmativen Unterricht gewohnt sind. Durch das Verhalten der Schüler:innen wird deutlich, dass diese davon ausgehen, dass ich als Vermittlerin eine höhere Machtposition habe, da ich den Workshop anleite. Doch genau solche Rollenverteilungen dürfen hinterfragt und gebrochen werden. Denn in einer kritischen Kunstvermittlung spielt nicht die vermittelnde Person oder ausschließlich die Kunst eine zentrale Rolle, sondern alle Beteiligten. Durch gemeinsames reflektieren, erfahren und sich austauschen können sowohl die Schüler:innen, als auch die Vermittler:innen zu neuen Denkanstößen gelangen. Unsere Möglichkeiten zu Lernen sind vielfältig. Selbstbestimmte Herangehensweisen, die eigenen Erfahrungen und ein spielerischer Umgang sind ebenso wichtig, wie die Erklärungen im Frontalunterricht. Der Mensch lernt durch beobachten, ausprobieren und Fehler machen. In der Schule bezieht sich unser Lernen vor allem auf das „was“ und nicht auf das „wie“ (Gompertz, 2016, S. 201). Lernen scheint für die Wiedergabe von Wissen zu stehen und sich weniger mit der Frage auseinanderzusetzen, wie das Lernen gelernt werden kann. Die Folgen sind ein zu hohes Lernpensum und ein Verlust an Neugierde, Spontanität und Flexibilität. So saß Lena da und ich versuchte sie zu motivieren sich dem Thema anzunähern. Ich setzte mich neben sie und fragte, was genau sie gerade schwierig findet. Als Kunstvermittlerin benutze ich gerne die Frage als Möglichkeit ein Gespräch zu eröffnen. Wenn jemand eine Frage stellt, wird im besten Fall nach einer Antwort gesucht. Durch dieses Suchen wird die Urteilsbildung angeregt. Es braucht dabei nicht immer eine klare Antwort. Allein die eigenen Überlegungen oder die Feststellung, dass man sich unsicher ist, können aufschlussreich sein und zu neuen Erkenntnissen führen. Durch die Auseinandersetzung mit der Frage wird sich einem Sachverhalt angenähert. Die Kunstvermittlung versucht dem Individuum einen gedanklichen Raum zu eröffnen, in dem beispielsweise eigene Zugänge zu einer künstlerischen Arbeit thematisiert werden. Neben dem spielt ästhetische Bildung eine relevante Rolle für die Kunstvermittlung. Ästhetische Bildung beschreibt vereinfacht gesagt ein sinnlich orientiertes Wahrnehmen und Deuten von Wirklichkeit (Schiefer 2006, S. 11). Somit beschreibt die Vermittlung von ästhetischer Bildung einen Gegenpol zu einem rein logischen und begrifflich orientierten Weltzugang. Ästhetische Bildung verstärkt nicht nur die Sensibilität des Individuums, sondern auch die Kreativität, Fantasiefähigkeit und die eigene Urteilsbildung, die wiederum einen Einfluss auf die Identitätsbildung haben kann (Schiefer 2006, S. 17). Dementsprechend wird in der Kunstvermittlung nicht nur der Inhalt einer künstlerischen Arbeit thematisiert, sondern auch die Frage was das Individuum sehen, wahrnehmen und fühlen kann. Die Frage: „Was hat diese Arbeit mit mir zu tun?“ kann helfen individuelle Zugänge zur künstlerischen Arbeit herzustellen. In meiner Praxis wird deutlich, dass die Geschmäcker und Ansichten über Kunst nicht unterschiedlicher sein können. Daher spielt Kommunikation und Partizipation eine entscheidende Rolle. Denn durch einen gemeinsamen und kritischen Diskurs über Kunst, können wir aufgrund unserer unterschiedlichen Meinungen, Geschmäcker und Erfahrungen voneinander lernen und profitieren. Lena antwortete: „Ich weiß nicht, was genau ich jetzt machen soll und verstehe den Sinn dahinter nicht. Das ist komisch?“ Ich sagte zu ihr, dass diese Gefühle, die sich in ihr eröffnen, die ersten Schritte sein können sich dem Thema Widerstand anzunähern. Sie kann selbst gerade erleben, dass sie Widerstände in sich spürt. Irritation kann eine Chance sein neue Eindrücke zu bekommen. Die daraus resultierenden Anstöße, Anregungen und Impulse, können zu einer Erweiterung der eigenen Vorstellungskraft führen (Schiefer 2006, S. 12). Durch ungewohnte Situationen können wir uns selbst auf eine bisher unbekannte Art und Weise erleben. Durch den Abgleich zwischen dem Subjekt und den äußeren Einflüssen entsteht die Frage „Wer bin ich im Verhältnis zum Anderen, zum Fremden, zum Neuen etc.?“. Dabei ist die Reflexion der eigenen Wahrnehmung ein wichtiger Bestandteil, um die persönliche Urteilsbildung anzuregen (Schiefer 2006, S. 12). Lena wirkte etwas verdutzt, als sie feststellte, dass sie wirklich diesen Widerstand in sich fühlte. Ich bot ihr an, die Gefühle, die in ihr ausgelöst wurden zum Ausdruck zu bringen und erklärte ihr, dass sie jetzt die Möglichkeit hat etwas auszuprobieren, was sie sonst nicht tun würde. In einem Nebensatz sagte ich zu ihr: „Mach dir keine Sorgen, es gibt hier keine Noten und auch kein richtig oder falsch.“ In den Workshops mit Schüler:innen wird deutlich, dass der freie Umgang mit Kunst zu neuen Perspektiven über einen selbst und der eigenen Umgebung führen kann, die losgelöst sind von den Maßstäben, Regulatorien und Zensuren des Schulbetriebes. Neben der Frage, was die Kunstvermittlung vermitteln soll, steht immer auch die Frage im Raum wie eine erfolgreiche, kritische Kunstvermittlung gestaltet werden kann. In meinem zweiten Beispiel thematisiere ich das Potenzial von Kunst im öffentlichen Raum und der damit einhergehenden Vermittlung. In meinem Praktikum im Kunstverein Wolfenbüttel habe ich die Ausstellung KiöR- Bestandaufgabe als Kunstvermittlerin begleitet. In dieser Ausstellung haben regionale Künstler:innen unterschiedliche Plätze innerhalb und außerhalb der Stadt Wolfenbüttel bespielt. Das Thema der Ausstellung bezog sich auf die Frage, wie mit alten Beständen umgegangen wird, wie neuer Bestand entstehen kann und wie die Künstler:innen die Stadt widerspiegeln. Neben dem Vorteil, dass der Außenraum währen der Covid-19 Pandemie eine gute Möglichkeit darstellte Kunst zu rezipieren, wollte der Kunstverein auch Menschen erreichen, die sich sonst weniger für Kunst interessieren. Für die Ausstellung KiöR wurden Künstler:innengespräche und Workshops angeboten. Zusätzlich sollten Kunstvermittler:innen sich bei ausgewählten Orten platzieren und versuchen mit den vorbeikommenden Menschen ins Gespräch zu kommen. Ausgestattet mit einem beschrifteten T-Shirt, ein paar Flyern und Stadtplänen ging ich zu meiner Tagesstation, die in einem kleinen Stadtpark lag. Als ich dort ankam wusste ich nicht, wie ich mich am besten platzieren sollte. Die künstlerische Arbeit stand auf einer Wiese, die hinter ein paar Büschen und Bäumen versteckt lag. Um die Arbeit betrachten zu können, musste erst einem kleinen Weg gefolgt werden. Die zweite Möglichkeit bestand darin weiter in den Park zu gehen und von einer Brücke aus auf die künstlerische Arbeit zu schauen. Der Nachteil daran war, dass die Arbeit dann nur aus der Distanz betrachtet werden konnte. So musste ich mich zwischen diesen beiden Positionen entscheiden, die ihre Vor- und Nachteile beinhalteten. Ich entschied mich für den kleinen Weg, in der Hoffnung ein paar Menschen zu motivieren sich die gezeigte Arbeit von Nahem anzuschauen. Neben der Frage nach einer geeigneten Platzierung, war auch meine Sichtbarkeit schwierig. Da wir keine Stände oder Tische hatten, musste das bedruckte T-shirt ausreichen, um meine Funktion als Kunstvermittlerin erkennbar zu machen. Die Flyer legte ich auf die Erde. In diesem Moment fühlte ich mich wenig professionell. So stand ich am Wiesenrand und wartete darauf, dass Leute vorbeikamen. Nach einer Weile fuhren ein paar Fahrradfahrer:innen vorbei, die ich natürlich nicht anhalten konnte. Es folgten Spaziergänger:innen, die allerdings häufig in einem Gespräch vertieft waren, wodurch sich bei mir Hemmschwellen aufbauten. Ich wollte nicht unhöflich sein und die Menschen in ihrem Gespräch unterbrechen. Dazu kam, dass die künstlerische Arbeit nicht direkt gesehen werden konnte, was es zusätzlich schwieriger machte die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Es wurde deutlich, dass ich die Initiative ergreifen musste, um ein Gespräch zu initiieren. Am besten gelang es mir Personen anzusprechen, die neugierig schauten. Dann fragte ich sie, ob sie von der aktuellen Ausstellung KioR vom Kunstverein Wolfenbüttel gehört hätten. Mit einigen ging ich anschließend gemeinsam zur Wiese um die künstlerische Arbeit zu betrachten. Anderen gab ich nur ein paar Informationen zu den bespielten Plätzen in der Stadt und verwies auf den Kunstverein. Im Kontrast zu der Situation im Park war die Vermittlung in der Stadt eine ganz andere. Am nächsten Tag stand ich in der Nähe des Stadtzentrums direkt neben der künstlerischen Arbeit. Dort traf ich Menschen, die etwas von der Ausstellung gehört hatten und sich diese bewusst ansehen wollten. Durch das Interesse der Besucher:innen war es einfacher ein Gespräch zu eröffnen. Ein interessanter Aspekt des KiöRs war die Tatsache, dass Hemmschwellen nicht nur bei den Betrachter:innen abgebaut werden mussten, sondern auch bei den Vermittler:innen selbst. Im Kontrast zur Kunstvermittlung im Museum braucht die Vermittlung im öffentlichen Raum andere Herangehensweisen. Im Museum müssen die Kunstvermittler:innen nicht spontan Personen ansprechen, wodurch Momente der Störung entstehen, sondern kommunizieren mit einer Gruppe, die sich im Vorfeld für eine Führung oder ähnliches entschieden hat. Das impliziert eine bewusste Entscheidung und Erwartungshaltung von den Besucher:innen und schafft somit den Rahmen für einen Diskurs. Trotz der Hürde ein Gespräch zu eröffnen, bekommt die Kunstvermittlung in der Konstellation vom KiöR eine Chance, genau die Menschen zu erreichen, die sich sonst wenig bis gar nicht aus sich heraus für Kunst interessieren und nur zufällig an einer künstlerischen Arbeit vorbei kamen. Durch diese Spontanität können beispielsweise mögliche Schwellenängste überwunden werden. Es gibt keine Eintrittskosten, keine einschüchternde Gebäude und kein fein gekleidetes Personal. Dazu kann Kunst im öffentlichen Raum teilweise berührt oder verändert werden und spiegelt gesellschaftliche Prozesse wider. Es können Anregungen für ein Gespräch mit Freunden und Familie entstehen, die wiederum zu neue Perspektiven und Gedanken führen. Kunst im öffentlichen Raum ist ein mächtiges Werkzeug um Missstände zu visualisieren, Orte zu verändern und dadurch einen Einfluss auf den Alltag vieler Menschen zu haben. Kunst im öffentlichen Raum ist nicht nur für ein fachspezifisches Publikum da, sondern für all diejenigen, die sich damit beschäftigen wollen. Egal, wo wir der Kunst begegnen, entscheidend ist unsere eigene Haltung zu ihr. Der Mehrwert von Kunst und Kunstvermittlung wird erst erfahrbar, wenn wir die Bereitschaft haben uns der Kunst zu öffnen und uns mit ihr auseinandersetzen. Durch eine kritische Kunstvermittlung können wir uns der Kunst annähern und existierende, implizite Machtverteilungen hinterfragen und neu verhandeln. So kann ein Status Quo einer kritisch, emanzipierten Kunstvermittlung etabliert werden, die durch die Partizipation der Beteiligten geprägt wird. Kunstvermittlung tritt in Interaktion mit den Beteiligten und schafft verbindende Erlebnisse, die wiederum Einfluss haben können auf die subjektiven Empfindungen und Gedanken über und zur Kunst. Referenzen (1) Gompertz, Will: „Denken wie ein Künstler: Wie Sie Ihr Leben kreativer machen.“ Dumont, 2016. (2) Schiefer Ferrari, Markus, Kirchner Constanze, and Spinner, Kaspar H.: „Ästhetische Bildung und Identität.“ Kontext Kunstpädagogik Band 8, 2006. Maja Zipf ist Künstlerin und Kunstvermittlerin. In ihrer künstlerischen Arbeit arbeitet sie multimedial mit dem Schwerpunkt auf Video und Malerei. Thematisch beschäftigt sie sich mit Körper(idealen), Selbstoptimierung und der Visualisierung von Gefühlszuständen. Neben dem Studium an der HBK Braunschweig bei Wolfgang Ellenrieder, begleitet sie Workshops und Ausstellungen im Kunstverein Wolfenbüttel. 1

  • Issue 3 Wir werden Dichter:innen | appropriate

    Wir werden Dichter:innen Issue 3 │ Vermittlung Anker 1 Wir werden Dichter:innen – ein Experiment zu interkultureller Wissensvermittlung[1] Xuan Qiao, Ye Xu Illustration: Ye Xu (c) 2022 Foto: Ye Xu (c) 2022 Abbildung: Xuan Qiao, Ye Xu (c) 2022 Abbildung: Xua n Qiao, Ye Xu (c) 2022 Abbildung: Xuan Qiao, Ye Xu (c) 2022 Als Transformation Designer:innen befassen wir uns angesichts der pluralen und multikulturellen Umgebung im (Design-)Studium verstärkt mit der Frage, wie wir uns im Studium interkulturell öffnen und dadurch einen Beitrag zu mehr Kommunikation und Verständnis leisten können. Wie viele ausländische Studierende möchten wir während des Studiums mehr über den gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund der deutschen Gesellschaft erfahren, sodass wir die Ansichten, Umgangs-, Arbeits- und Denkweisen unserer Kommiliton:innen besser verstehen können. Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen der menschlichen Gesellschaft durch die Coronakrise wurde die Welt in isolierte Inseln verschiedener Lockdown-Politiken geteilt. Diese bildeten nach und nach kulturelle Informationskokons. Das heißt, die Menschen neigen eher dazu, nur die Informationen, die sie erhalten möchten, zu akzeptieren, und verlieren so die Fähigkeiten, verschiedene Dinge zu verstehen und den Kontakt mit anderen Informationen zuzulassen. Allerdings treffen unterschiedliche Weltbilder, Lebensformen, Denk- und Verhaltensweisen aufeinander, was zu potenziellen Konflikten aufgrund der Unwissenheit führt (Kulturshaker, 2015). Das heißt, dass die Bedeutung von Kommunikation und Austausch in der Gegenwart immer dringlicher wird. Von unserer Seite aus sind wir für neue Kulturen offen. Selbstverständlich können wir in kürzester Zeit nicht jedes Detail voneinander kennenlernen. Daher hatten wir die Idee, mit einem bewusst gewählten Thema eine Art Medium zu finden. Dafür haben wir Gedichte ausgewählt. Menschen nutzen das Gedicht schon lange, um Geschichte und Kultur aufzuzeichnen, heute realisieren wir interkulturelle Kommunikation durch das Gedicht. In den Wissensvermittlungen mit dem Thema „Gedicht“ versuchen wir, kulturelle Barrieren abzubauen und universelle Werte über Regionen und Nationen hinweg zu finden. Gedicht und Kultur Wir glauben, dass das menschliche Streben nach Schönheit über Nationen und Regionen hinweg unverändert bleibt. Einerseits ist die Kunst ein Spiegelbild der menschlichen Wahrnehmung von Schönheit. Andererseits kann Kunst als lesbares Symbol verwendet werden, um die kulturellen Konnotationen verschiedener Nationen zu vermitteln. Unser Ziel ist es, eine Transformation der interkulturellen Kommunikation zu erreichen. Wir versuchen, unterschiedliche Kulturen durch neue Vermittlungsformate zu verstehen, zu akzeptieren und zu respektieren. Wie sollten wir Praktiken dafür gestalten? Auch wird der Status der Sprache als primärer Modus und Ort der Sinn- und Erkenntnisproduktion in Theorien des Designs noch zu wenig hinterfragt und problematisiert (Mareis:2014). Deshalb ist das Gedicht die beste Wahl. Es ist eine besondere Kunstform, mit wörtlichem Ausdruck des künstlerischen Bildes und bestimmten Tönen (Futian, Liu, Jingxi, Xu, Deli, Zhang, Heyong, Liu: 2008). Das macht das Gedicht zum besten Medium für interkulturelle Wissensvermittlung. Das Gedicht gilt als der Ursprung der menschlichen Literatur, es hat sich mit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft entfaltet, und man kann sagen, dass das Gedicht Zeuge und Aufzeichnung der Transformation der menschlichen Gesellschaft ist. Wie die alten chinesischen Volkslieder „Shijing" und das altgriechische „Ilias und Odyssee" können wir Gedichte verwenden, um die Ereignisse der Vergangenheit oder die Bräuche der alten Gesellschaft zu verstehen. Man kann fast sagen: Wenn man eine fremde Kultur verstehen will, sollte man zuerst ihre Gedichte verstehen. Neben der Aufzeichnung historischer Ereignisse spiegeln Veränderungen im Gedicht selbst auch die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft wider. Zum Beispiel hat das alte chinesische Gedicht sehr strenge Regeln zu Format und Rhythmus, die in prominenter Weise durch Gedichte aus der Tang-Dynastie repräsentiert werden – normalerweise bilden alle fünf oder sieben Zeichen einen Satz und vier oder acht Verse ein Gedicht. Die Regeln dieses poetischen Formats erfordern vom Autor ein sehr hohes literarisches Niveau und Wissensreserven und wurden so zum Patent der Elite. Dabei wird der Ausdruck wegen der komplexen Regeln bis zu einem gewissen Grad eingeschränkt – wie Tanzen in Fesseln. Daher gibt es auch die Ansicht, dass diese strengen Regeln die Menschen konservativ und altmodisch im Denken machen. Im frühen 20. Jahrhundert wurde in China eine ideologische Emanzipationsbewegung namens „Bewegung für eine Neue Kultur" ins Leben gerufen. Diese Bewegung förderte den Prozess des Übergangs Chinas von einer feudalen Gesellschaft zu einer nationalen kapitalistischen Gesellschaft. Während dieser Zeit wurden viele traditionelle Regeln, einschließlich die des Gedichts, gebrochen. Gleichzeitig begannen viele chinesische Dichter unter dem Einfluss der modernen westlichen Gedichte, Gedichte mit zugänglicherem Inhalt und ungezügelter Form zu schaffen, um eine breitere Wissensverbreitung und eine tiefere ideologische Emanzipation zu erreichen. Die Gedichte dieser Zeit verzeichnen nicht nur eine große gesellschaftliche Transformation, man kann sogar sagen, dass sie Teil der Transformation geworden sind. Als Träger der Kultur verkörpert das Gedicht auch die Emotionen der Menschen. Dadurch kann man kulturelle Resonanz finden. Der oft in Gedichten dargestellte Mond beispielsweise drückt vor unterschiedlichem kulturellen Hintergrund ganz verschiedene Emotionen aus: Auf der einen Seite, ob im Osten oder im Westen, sind die Menschen bereit, dem Mond die Bedeutung von „rein und schön" zu geben. Offensichtlich ist dies der harmonische Teil, der in verschiedenen Kulturen mitschwingen kann. Auf der anderen Seite wird der Mond in der westlichen Kultur manchmal mit einer mysteriösen, dunklen Kraft in Verbindung gebracht, die eine düstere und erschreckende Atmosphäre schafft. In östlichen Kulturen dagegen wird der Mond aufgrund seiner Veränderungen manchmal von Reisenden mit Heimweh in Beziehung gesetzt. Da die assoziative Bedeutung des Mondes in der Geschichte bereichert und entwickelt wurde, hat der Ausdruck des Bildes des Mondes in der chinesischen und westlichen Kultur praktische Bedeutung für die interkulturelle Kommunikation (Wanwan, Zhong: 2021). Auf diese Weise können wir durch das Gedicht leicht gleiche oder unterschiedliche Ausdrücke einer bestimmten Sache in verschiedenen Kulturen finden und verstehen, um ein interkulturelles Verständnis und eine interkulturelle Kommunikation zu erreichen. Wir hoffen, dass wir im interkulturellen Prozess Gedichte verstehen und tiefe kulturelle Bedingungen erfassen, einander respektieren, wertschätzen und effektiv nutzen können, um wahrzunehmen, zu beurteilen, zu fühlen und zu handeln. Was Gedichte ausdrücken, ist nicht nur die Sprache, sondern auch der Rhythmus und die Struktur, die zu Gedichten gehören, was mehr Möglichkeiten für die Entwicklung des Gedichts aufzeigt. Durch das Aufeinanderprallen und Verschmelzen von Gedichten unterschiedlicher Kulturen ist es Menschen verschiedener Kulturen möglich, sich aufeinander einzustellen, Inkompatibilitäten zu tolerieren und sich zu einem wirkungsorientierten Modell kollaborativer Formen des Miteinanders, Zusammenlebens und weltinterpretativen Handelns zu entwickeln. Darüber hinaus bietet uns der Körper als Kommunikationsmedium vielfältige Möglichkeiten, uns auszudrücken: durch Gestik, Mimik, Tonfall und Körpersprache (Harrison: 2017). Dies kann uns helfen, unser Verständnis und die Darbietung von Gedichten beim Lesen und Rezitieren zu vertiefen, was zweifellos für die interkulturelle Kommunikation von Vorteil ist. Daher hoffen wir, durch Gedichte neue Formate der Kulturvermittlung zu gestalten. Und wir freuen uns darauf, in diesem Prozess neue Ideen zum kulturellen Austausch zu entwickeln. Prozessbeschreibung Im Workshop haben wir drei verschiedene Gedichte von drei zeitgenössischen Dichtern aus unterschiedlichen Ländern betrachtet: „Just to be a withered flower“ der chinesischen Dichterin Yu Xiuhua, „Black Mast – To Paul Picasso“ des senegalesischen Dichter s und Politiker s Léopold Sédar Senghor und „Herz über Kopf“ der deutschen Dichterin Ulla Hahn. Wir baten die Teinehmer:innen, im Workshop zuerst die eigenen Erfahrungen mit den Gedichten miteinander zu teilen. Dies war eine Einleitung in das Thema und wir hofften, dass die Teilnehmenden beim Lesen der Gedichte Erinnerungen, Resonanz oder Interesse daran finden könnten. Danach lasen wie die drei Gedichte laut vor, dieser Teil konnte als Lesestunde betrachtet werden. Idealerweise war die Vorstellung so, dass wir im Kreis sitzen konnten, jede Person einen Satz vorlas und man dadurch einen Einstieg in das Thema finden konnte. Da es sich um ein Online-Format handelte, mussten wir alle unsere Mikrofone einschalten und der Reihe nachlesen. So lasen wir Satz für Satz nacheinander die drei Gedichte vor. Schließlich stellten wir Fragen und hofften, durch die Gedichte die Lebensverhältnisse von Frauen in verschiedenen Ländern zu diskutieren und zu reflektieren. Konkreter gesagt, wurde das Thema „Meinungsfreiheit“ vertieft. Während dieses Prozesses haben wir alle Teilnehmenden gebeten, ihre Gedanken als Stichworte aufzuschreiben und festzuhalten. Wir wollten sie dazu motivieren, über die transformative Möglichkeit des Gedichtes frei zu denken. Wir stellten die folgenden Fragen und bekamen interessante Antworten: Stellt euch vor, dass ihr Dichterinnen oder Dichter seid; welche Form hat euer Gedicht? In welcher Umgebung spielt es, welche Farbe, Temperatur, Jahreszeit, Bewegung, Dimension hat es? Wie kann man ein solches Gedicht vortragen? Braucht das Gedicht Worte, und wenn nicht, womit würdet ihr sie ersetzen wollen? Am Ende kamen wir zum kollektiven Schreibprozess. Jede:r Teilnehmende hatte zehn Minuten Zeit, einen Satz zu schreiben. Dieser musste nicht zu dem besprochenen Thema gehören. Es konnte auch ein eigenes aktuelles Gefühl oder ein Gedanke sein. Danach arbeiteten wir in drei Gruppen und legten die Reihenfolge der Sätze fest. So entstanden drei Gedichte mit unterschiedlichen Stilen. Verschiedenheit bestehen lassen und nach Gemeinsamkeiten suchen Unser Workshop wurde am 1. Februar 2022 erfolgreich online durchgeführt. Drei neue Gedichte sind in diesem Workshop entstanden. Wir waren überrascht von den kollektiv verfassten Gedichten. Derselbe Satz kann in verschiedenen Kombinationen unterschiedlich interpretiert werden. Bevor der Workshop vorbei war, lasen wir die drei Gedichte laut vor, wie wir es zuvor getan hatten, und dieses Mal war die Stimmung viel weniger nervös. Das Lachen und die Verse der Teilnehmenden gaben uns das Gefühl, zufrieden zu sein. Wir beobachteten, dass wir bei der Gestaltung des Formates zu viele persönliche Voraussetzungen gemacht hatten. Da wir als Moderator:innen die Gedichte schon mehrfach gelesen und analysiert hatten, vernachlässigten wir die Frage, ob die Gedichte auch zugänglich für alle waren. Es wurde uns zurückgemeldet, dass die Fragen etwas schwierig zu beantworten waren. Aber interessanterweise war die Diskussion über Poesie viel enthusiastischer, als wir erwartet hatten. Wir stellten fest, dass die Teilnehmer:innen zwar kein gutes Verständnis von unseren voreingestellten spirituellen Inhalten hatten, aber viele besondere Emotionen empfinden konnten – Einsamkeit, Enthusiasmus, Ruhe, Freude usw. Obwohl diese Menschen die Gedichte unterschiedlich interpretierten, empfanden sie alle sehr ähnliche Gefühle und Stimmungen. Das Vermittlungsformat des gesamten Workshops ist für uns weniger eine neue Form der Wissensvermittlung als vielmehr eine Neubetrachtung menschlicher Kultur. Das Teilen, die Zusammenarbeit und der Austausch, die durch dieses Projekt ermöglicht werden, zeigen uns, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, wie wir verschiedene Kulturen besser verstehen lernen können, um sie in der zukünftigen Gesellschaft zu respektieren. Obwohl es nur ein Teil des Semesterprojekts ist, hoffen wir dennoch, das Projekt in Zukunft fortzusetzen und zu versuchen, einen tieferen kulturellen Austausch in anderen Kunstformen, einschließlich Malerei und Musik, zu haben. Wir wollen Klischees brechen und universelle Werte verfolgen. Wir freuen uns auf die Weiterentwicklung des Projekts und darauf, unsere Erfahrung in eine solche Zukunft einbringen zu können. Xuan Qiao, born in 1997, is a designer and a student at the Braunschweig University of Art, where he has been studying Transformation design since 2021. He was one of the top 50 design stars in Hangzhou, China in 2019. In his practice, Qiao Xuan tries to use design methods to solve social problems. He especially focusses on the cultural sustainability in different regions, and discovers solutions with product design. He has won a series of design awards in China and internationally including the Red Dot Award. Ye Xu, born in 1994, is a product designer and a transformation designer. From 2012 to 2019 she studied product design in Bachelor and Master in Shandong Art and Design University in China, after her graduation she moved to Germany and began her transformation design studies at Braunschweig University of Art. Currently she studies as an exchange student at Art University Zürich. Her work concentrates on the reflection of social problems in design work and aims to take a transdisciplinary approach to social issues. Endnoten [1] Im vergangenen Semesterprojekt „A New Curriculum“ hat jeder Studierende des Studiengangs Transformation Design versucht, ein Vermittlungsformat zu entwickeln, das die Wissensvermittlung in den Mittelpunkt stellt. In diesem Projekt betrachten wir unterschiedliche Formen der Wissensvermittlung und wie Wissensvermittlung Veränderungen bewirken kann, etwa in Bezug auf Denk- oder Handlungsprozesse. Viele interessante Vermittlungsformate wurden entwickelt, darunter Workshops, geführte Diskussionen, Abendessen mit pädagogischen Elementen, körperliche und unterhaltsame Übungen zu Themen und mehr. Literatur Kulturshaker, 2015. Interkulturalität. https://kulturshaker.de/kulturkonzepte/interkulturalitaet/#fnref-1147-3 (Zugriff: 10.03.2022) Mareis, Claudia, 2014. Theorien des Designs zur Einführung. Hamburg: Junius Futian, Liu, Jingxi, Xu, Deli, Zhang, Heyong, Liu, 2008. Einführung in die Literatur. Beijing: Higher Education Press Wanwan, Zhong, 2021. An Analysis of the Moon Image in Chinese and Western Cultures from the Perspective of Associative Meaning. In: Scholars International Journal of Linguistics and Literature, 12. S. 378–381 Kathryn Huie Harrison 2017. Bodies and Body Language: How Poetry Can Teach Us to Communicate. https://techstyle.lmc.gatech.edu/bodies-and-body-language-how-poetry-can-teach-us-to-communicate/ 1

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